Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Wolfsruf

Titel: Wolfsruf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S.P. Somtow
Vom Netzwerk:
alles.« Sie sprach mit Pathos; er hatte Mitleid mit ihr, obwohl er sie verachtete. »Und ich bin alt. Glaubst du, die Alten haben keine Wünsche, keine Bedürfnisse mehr?« Ihre Stimme war nur noch ein Krächzen.
    Joaquin murmelte im Schlaf: »Komm ins Bett. Lass mich nicht warten. Komm schon. Komm ins Bett.«
    »Ist er … schon einer von uns?«, fragte Castellanos.
    »Warum? Weißt du nicht, ob du mit Bleikugeln schießen sollst … oder mit Silber? Ich weiß, dass ihr uns alle töten werdet, du und deine Indianerfreunde.«
    Jetzt setzte sich auch Joaquin auf und rieb sich die Augen. »Was ist los?«, fragte er. Dann sah er Castellanos. »Einbrecher … ich bring’ dich um!« Er griff nach einem Derringer unter seinem Kopfkissen und feuerte im nächsten Moment auf Castellanos’ Kopf.
    »Mach dich nicht lächerlich, mein Süßer.« Die Baronin strich ihm mit ihrer wunden Hand über den Kopf. »Du solltest wissen, dass man einen Werwolf so nicht töten kann.«
    Castellanos fühlte Feuchtigkeit auf seiner Stirn. Blut - und etwas anderes - Gehirnmasse mit Schädelsplittern. Er nahm den Schmerz kaum wahr. Sein Körper begann sofort mit der
Heilung, das Fleisch wuchs wieder zusammen. »Ich will nicht kämpfen«, sagte er. Aber die nächste Kugel riss seine Wange auf, dann folgte noch eine und noch eine, bis der Revolver leer war. Er schmeckte Blut, fühlte das Fleisch wachsen, Sehnen sich verknüpfen -
    »Du willst mir meine Frau stehlen … sonst nichts. Ich könnte dich zehnmal abknallen.« Und der Jüngling sprang ihn an, fasste nach seiner Kehle, während die Baronin krächzend lachte.
    Castellanos wehrte die Schläge mit einer Hand ab, fühlte die Wolfsstärke in seine Adern schießen. Als seine Finger die Brust des Jungen berührten, spürte er, wie die Haut aufplatzte, seine Hand ins glitschige Fleisch fuhr, das Blut heraussprudelte, der Brustkorb knackte und das Herz in seiner Hand pulsierte, bevor er zudrückte -
    Er senkte betreten den Blick. »Ich wollte nicht …«
    Der Mond spendet Kraft. Der Traum des Jungen hat die Macht, zu töten und zu heilen. Wir sind alle nur Figuren im Traum des Jungen, sogar der Junge selbst -
    Und er starrte in Joaquins leere Augen, als jener auf das Bett zurückfiel und Blut aus seinem Brustkorb pulsierte, das die öligen Dielen sprenkelte, und er gegen den geschundenen Leib seiner Geliebten stürzte, die mit unmenschlichem Lachen kreischte: »Du willst heilen … heilen … heilen … ha, ha! … Du willst heilen …«
    »Aber ich will …«
    Der Körper fiel auf den der Baronin, das dumpfe Knacken brechender Knochen wandelte sich in ein hohes Jaulen, das den pfeifenden Wind noch übertönte.
    Der Hals der Baronin war in einem unnatürlichen Winkel abgeknickt, aber sie schrie immer noch: »Die Räude … hat mir die Kraft genommen … mich zu heilen … ich bin schwach …«
    Er kniete neben ihr. »Glaubst du, ich wollte sein, was ich jetzt bin? Glaubst du, ich hätte freiwillig Wasser aus dem Pfotenabdruck
eines Wolfes getrunken? Du hast es mir in den Wein gemischt …«
    Sie packte seine Hand. Umklammerte sie so fest, dass eine Schwäre zwischen zwei Knöcheln aufplatzte und blutiger Eiter herausfloss. Er versuchte, seine Hand aus ihrem Griff zu winden, aber ihre Hand löste sich aus dem Gelenk - Blut tropfte aus dem Stumpen. Er sah Nerven und Sehnen, eine Kapillare zappelte wie ein winziger Wurm.
    »Ich kann mich nicht mehr heilen«, ächzte die Baronin, »und doch kann ich nicht sterben.«
    Mit dem gesunden Arm streichelte sie seinen Hals, sein Haar, seine Wange. Es ekelte ihn und erweckte sein Mitleid.
    »Wenn ich dich töte«, sagte er, »glaubt niemand mehr, dass wir kamen, um Frieden zu bringen.«
    Aber in seinem Halfter steckte eine Pistole mit Silberkugeln; Teddy hatte sie ihm geladen, damit er nicht mit dem Metall in Berührung kam.
    »Du bist gekommen, um zu töten, nicht um zu heilen …«
    »Ja … vielleicht bin ich das.«
    Er zog den Revolver und schob den Lauf in ihren offenen Mund - durch die weichen Lippen, die sich einst um seinen steifen Schaft geschoben hatten und eine Leidenschaft in ihm geweckt hatten, die er bis dahin nicht für möglich gehalten hätte, denn die Frauen, die er zuvor gehabt hatte, waren junge Squaws gewesen, die die Comancheros einer nach dem anderen vergewaltigten, bevor sie sie an irgendein Bordell verkauften - drückte den Revolver gegen den Gaumen, zuckte vor Ekel zusammen, als Eiter den Lauf herabschleimte - wie damals sein Samen,

Weitere Kostenlose Bücher