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Wolfsruf

Titel: Wolfsruf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S.P. Somtow
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Frau, die den Grafen von Bächl-Wölfling berührt hatte, die immer noch eine Spur seines Dufts auf ihrer Haut trug.

    Die Kinder! Die Kinder mussten um jeden Preis beschützt werden! Sie rief nach Vishnevsky, der verschlafen ins Zimmer stolperte. »Hast du nicht nach Sanderson geschickt?«, herrschte sie ihn an. »Hast du nicht …«
    »Doch, doch … er ist mit einer Truppe unterwegs.«
    »Sie kommen, um die Kinder zu töten.«
    Vishnevsky eilte ans Fenster. Sie wusste, dass er sah, was auch sie gesehen hatte: Speranza und an ihrer Seite den Kretin, auf den Hartmut all seine Hoffnungen gesetzt, dem er sein Reich vererbt hatte -
    »Los … wir bringen die Kinder in die Kirche.« Vishnevsky hob Sasha und Kolya auf und legte sich die schlafenden Kinder über die Schultern. Natalia packte die beiden anderen, das Mädchen und den Gnom, drückte sie an ihren Busen, folgte ihrem Cousin die Treppe zum Hintereingang hinunter und von dort in eine kleine Gasse.
    Katyusha bewegte sich. »Blut«, flüsterte sie, »Blut, Blut, Blut.«
    Der Mond ließ das Kinderherz schneller schlagen und jagte das Blut durch die Adern; vielleicht würde die Kleine sich morgen zum ersten Mal vollständig wandeln. Leise schnarchend begann Petrushka zu nuckeln. Die Milch war blutig. Ihr Nippel wurde hart. Aber sie fühlte nicht jene eigenartige Mischung von Mütterlichkeit und Sinnlichkeit wie sonst; sie bangte zu sehr um ihre Kinder.
    »Schnell«, sagte sie. Sie eilten die Gasse entlang. Stimmen waren zu hören: »Recht und gerecht …« - »Der wahre Erbe …« - »Er hat gar nicht so unrecht …«
    Sie erreichten die Rückseite der Kirche. Dort lag Hartmuts Grab, vom Mondlicht beschienen. Sie öffneten eine Seitentür und gelangten in die Sakristei, eine kleine Kammer mit einem hohen Fenster. Vishnevsky entzündete die Lampen. Natalia durchwühlte ein Regal, fand ein paar modrig riechende Chorhemden und machte daraus ein Bett für die vier Kinder.

    »Bewache sie«, befahl sie ihm.
    »Und was tust du?«, fragte Vishnevsky.
    »Es kann nur eine Leitwölfin geben«, sagte sie. »Hör dir die Stimmen auf der Straße an! Ich habe keine Wahl.«
    Sie verließ ihn, hörte, wie er die Tür verschloss und den Riegel vorschob, trat dann durch den ehemaligen Chor ins Kirchenschiff. Die Stimmen wurden lauter. Manche waren gegen sie, manche unterstützten sie. So kurz vor Vollmond war ihr Gehör scharf wie das eines Wolfes, sie konnte selbst das Gemurmel am anderen Ende der Straße verstehen, an der Ecke vor dem Haus der von Bächl-Wölfling.
    Es war an der Zeit, die Herausforderung anzunehmen.
     
    Victor Castellanos fand die Baronin von Dittersdorf in einer winzigen Dachstube. Sie war von der Krankheit befallen, die schon so viele Wolfsleben gefordert hatte. Ein nackter Junge lag schnarchend neben ihr. Joaquin Guzman - ein Stalljunge, als er ihm zum letzten Mal begegnet war, und nun schon fast ein Mann. Der Lärm auf der Straße brachte ihn nicht um den Schlaf. Aber die Baronin erwachte, als er durch das offene Fenster hereinschlüpfte.
    »Du hast dich nicht verändert«, stellte sie fest. Und es stimmte; der Mond beleuchtete sein markantes Gesicht im elfenbeingerahmten Spiegel an der Wand. Von ihr konnte man das nicht behaupten. Sie lag im Sterben. »Weshalb kommst du zu mir, einem alten, verkrüppelten Weib … das an Räude stirbt. Willst du über mich lachen?«
    »Ich komme, um zu heilen.«
    Die Baronin lachte bitter, hustete. Mit einem von Eitergeschwüren überzogenen Arm versuchte sie sich aufzustützen.
    Castellanos wollte ihr von dem Mondtanz erzählen - von dem kommenden Frieden. »Sie wollten die ganze Stadt auslöschen«, sagte er, »doch ein Kind hielt sie mit seiner Vision auf …«

    »Was macht das noch für einen Unterschied?«, fragte die Baronin. Sie spuckte Blut auf ihr fleckiges Seidenlaken. »Euer Wolfsparadies kommt zu spät für mich, zu spät …«
    Es blieb noch so viel zu sagen! Aber ihm fehlten die Worte. Vielleicht wäre es am besten, sie zu vergessen. Obwohl er sie einst in den Armen gehalten hatte, als sie ihm sein Menschsein raubte … Während ihm wieder vor Augen stand, wie sie damals kopuliert hatten, geil, aber gefühllos, auf diesem Bett, diesem Laken, legte der Junge, die letzte Eroberung der Baronin, seinen Arm um sie, ohne die Augen zu öffnen, und versuchte, sie wieder in seine Umarmung zurückzuholen.
    »Wie kannst du ihm das antun … wo du von dem Gift in deinem Fleisch weißt?«
    »Er ist jung. Die Jungen ficken

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