Wolfsruf
der spritzte und spritzte, während er den Weinkelch an seine Lippen hob, nicht ahnend, dass er Tau aus den Fußstapfen eines Werwolfs enthielt, der sein Leben für immer verändern würde - drückte den Abzug und hörte das Krachen, mit dem das Silber die Gaumenplatte durchschlug. Der Körper bebte, wandelte sich von Wolf zu Frau zu Wolf -
Er erhob sich.
Legte die Liebenden einander in die Arme. Also war Joaquin noch kein Werwolf gewesen. Deshalb war er so leicht gestorben. Ich habe einfach meine Hand in seine Brust gesteckt, dachte Castellanos. Dabei hatte ich das gar nicht vor.
Er drehte ihnen den Rücken zu. Ging ans Fenster. Stand dort, schaute hinaus. Blut lief an seinen Händen herab und tropfte auf das Fensterbrett. Unten war Grumiaux und winkte ihm herunterzukommen. Niemand ahnte, dass der Friedensbote bereits zwei Opfer gefordert hatte.
Der Mond wanderte an ihr Ziel. Der Indianer träumte, während die anderen zu den Bürgern von Winter Eyes sprachen - die Großen Kreise von Sonne und Mond kreuzten sich mit den Pfaden der Gestirne - und würden ihm im richtigen Moment die Macht verleihen, die Kraft aus dem Herzen der Erde anzuzapfen. Shungmanitu Hokshila sprach nicht, öffnete nicht die Augen, obwohl sein Körper in den harten Sprachen der Weißen sprach, flehte und drohte; Shungmanitu war das Auge des Orkans, die Stille im Herzen des Sturms, träumte den Tumult hinweg.
Teddy Grumiaux kletterte die Regenrinne zu dem Fenster hinauf, hinter dem Castellanos stand. Er wusste, dass etwas schiefgelaufen war, noch bevor er die blutigen Hände seines Freundes sah.
Speranza stand im Schatten des Rathauses. Ein Diener des Grafen kniete vor ihr und flüsterte: »Gräfin, Gräfin -«
»Du zitterst ja am ganzen Leib«, sagte Teddy. Er schaute an Castellanos vorbei. Sah die Leichen. »Scheiße. Sie haben dich angegriffen …«
»Ich selbst habe … angegriffen …«
In der Sakristei tickte die Wanduhr und tickte und tickte, während Vishnevsky den Sonnenaufgang herbeisehnte.
Der Junge eilte über die Dächer. Seine Füße traten auf Ziegel, und er heulte in der Sprache der Wölfe: »Kommt mit mir zum Ort des Neubeginns … kommt und tanzt den Mondtanz mit mir … kommt dorthin, wo der Mond sich verschlingt und neu erzeugt und wo die Welt in Liebe neu geboren wird …«
Die Werwölfe erwachten einer nach dem anderen und hörten die Worte überall in ihren Häusern. Es waren neue Worte, denn die Wölfe Europas waren von der Weisheit der Shungmanitu Wakan abgeschnitten und sahen sich selbst nur als das Böse. Manche knurrten, andere entdeckten in den Worten einen Abglanz uralter Wahrheit.
Der Junge rief in der Sprache der Nacht: »Es stimmt, dass wir die Dunkelheit sind, aber die Dunkelheit gebärt das Licht! Es stimmt, dass wir das Leben vernichten, aber das Leben entspringt dem Tod, wie die Made dem faulen Fleisch entspringt! Füllt eure Leiber nicht mit Steinen, ertränkt euch nicht im blutigen Fluss, kommt mit mir zur Quelle und tanzt im Mondlicht, wo Vergangenheit und Zukunft zusammenfließen!« Er sprach nicht mit Worten, sondern mit Geheul, das der sirrende Wind mit sich forttrug - nicht mit Worten, sondern mit dem Aroma seines Urins, den er in den Wind versprühte, sodass seine Worte in allen vier Richtungen des Universums zu empfangen waren.
Und die Kinder der Wichasha Shungmanitu, selbst die vergessenen Kinder aus dem Land vor dem Sonnenaufgang, selbst sie ließen sich von dem Duft des Mondkindes leiten.
»Du und dein Hexenkind!« Speranza schaute auf und entdeckte Natalia vor der Tür der Kirche gegenüber stehen; ihr rotes Haar wehte im Wind, das Nachthemd flatterte um ihren Körper und zeichnete die Umrisse ihrer milchschweren Brüste nach.
»Ich bin nicht gekommen, um gegen dich zu kämpfen, Natalia«, wehrte sich Speranza. Ängstlich blickte sie zu dem Dach hinauf, wo Johnny sprang, tanzte, hüpfte, heulte.
Immer mehr Wölfe versammelten sich auf der Straße. Manche scharten sich um Speranza. »Kämpfe! Zeige ihr, wer die Königin ist!«, flüsterte eine Stimme ihr zu. Sie stand mit dem Rücken an einem Pfeiler und sah Natalia durch wirbelndes Laub an.
»Wie kann ich kämpfen? Ich bin keine von euch …«, sagte sie. Aber Natalia rannte bereits mit blutroten Augen auf sie zu, die Hände zu Klauen verformt.
Speranza ertrug es nicht mehr. Sie rannte die Straße hinunter, ihre Stiefel gruben sich tief in Schlamm und Dung.
Sie rutschte aus! Platschte in den Schlamm,
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