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Wolfsschatten - Handeland, L: Wolfsschatten

Wolfsschatten - Handeland, L: Wolfsschatten

Titel: Wolfsschatten - Handeland, L: Wolfsschatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lori Handeland
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dass er dazu gedacht war, die Eichhörnchen fernzuhalten, sie zu belustigen oder sie aufzuspießen, aber ich bekam nicht die Gelegenheit nachzuhaken, denn Quatie drehte sich um und verschwand im Haus.
    Während ich ihr folgte, staunte ich wieder, wie viel leichtfüßiger sie sich bewegte. Sogar mit der Wundertinktur war der Fortschritt erstaunlich. Dann entdeckte ich auf dem Tisch eine potenzielle Erklärung und dachte nicht mehr an spitze Stöcke oder Eichhörnchen.
    „Schwarzgebrannter Schnaps ist illegal“, wies ich sie zurecht.
    „Hast du vor, mich festzunehmen, Gracie?“ Sie musterte mich mit ihren vom grauen Star trüben Augen. „Er lindert den Schmerz in meinen alten Knochen.“
    Er würde ihre alten Knochen wahrscheinlich zersetzen, wenn sie zu viel davon trank. Ich war besorgt, dass er außerdem ihre Magenschleimhaut verätzen könnte, aber Quatie trank ein Glas auf ex, leckte sich die Lippen und lächelte mich mit mehr Zähnen an, als sie meiner Erinnerung nach besaß. Sie musste sich ein künstliches Gebiss besorgt haben. Ich hoffte nur, dass der Schnaps es nicht pulverisieren würde.
    Als sie mir ein Glas anbot, lehnte ich kopfschüttelnd ab. Ich verbrachte viel Zeit damit, illegale Brennereien in den Bergen aufzuspüren. Theoretisch war schwarzgebrannter Schnaps gesundheitsgefährdend. Zu viel davon konnte einen Menschen erblinden lassen. Doch in Wahrheit stellten die alten Leute ihn schon seit Jahrzehnten her, und sie wussten, was sie taten.
    Ich erkannte anhand der Flasche und der Farbe des Gebräus, dass Quatie ihren von Granny McGinty hatte – der größten Schwarzbrennerin im gesamten County, was daran lag, dass sie ordentlichen Fusel zu einem vernünftigen Preis verkaufte.
    Da es Quatie sichtlich besser zu gehen schien als beim letzten Mal, würde ich ein Auge zudrücken. In den alten Zeiten hatten die Menschen alles Erdenkliche – Rheuma, Arthritis, Zahnschmerzen – mithilfe von schwarzgebranntem Schnaps kuriert. Sie behalfen sich mit dem, was sie hatten. Ich konnte Quatie keinen Vorwurf machen, dass sie das Gleiche tat.
    „Ich wollte nachsehen, wie es dir geht.“ Ich setzte mich auf einen Stuhl.
    „Besser.“ Sie trank noch einen Schluck. „Du musst dich nicht extra herbemühen, Kind. Ich lebe schon seit langer Zeit allein.“
    „Plant deine Ururenkelin noch immer, dich zu besuchen?“
    „Ja, schon bald.“ Sie lachte mit solch kindlicher Freude, dass ich lächeln musste.
    „Woher kommt sie?“
    „Ach, nicht weither. Aber jetzt genug von mir. Wie geht es deinem jungen Mann?“
    Er war nicht mein junger Mann. Aber der Eifer in ihrem Gesicht, ihre aufrichtige Zuneigung zu Ian, hielten mich davon ab, ihr zu sagen, dass er eine verlogene, verheiratete Ratte war. Zumindest heute.
    „Es geht ihm gut, Quatie.“
    „Das ist schön.“ Sie blinzelte mir zu und trank noch einen Schluck von ihrem Schnaps.
    Ich runzelte die Stirn. „Du hast doch nicht vor, später einen Spaziergang zu unternehmen, oder?“
    „Nein. Heute Abend nicht.“ Der Alkohol schien überhaupt keine Wirkung auf sie zu haben. Vermutlich eine genetisch bedingte Resistenz. „Hast du die Aufzeichnungen deiner Urgroßmutter inzwischen gelesen, Gracie?“
    „Nein, Ma’am.“
    „Hmm.“ Sie schien sich das durch den Kopf gehen zu lassen. „Das ist wahrscheinlich auch das Beste.“
    „Warum?“
    Quatie stand vom Tisch auf, ging ohne zu schwanken zum Sofa und legte sich darauf. „Sie würden dich nur traurig stimmen.“ Sie schloss die Augen.
    Die Stille, die sich im Zimmer ausbreitete, war derart tief, dass ich nervös wurde. Sie war doch nicht gestorben?
    „Quatie?“, fragte ich sanft.
    Die einzige Antwort, die ich bekam, war ein Schnarchen.
    Da ich nichts Besseres zu tun hatte, machte ich mich auf den Heimweg.
    Auf dem Highway ließ ich die Gedanken schweifen. Ich war diesen Straßen schon tausendmal gefolgt, kannte jede Kurve, jede Abzweigung. Ich erwog, nicht sofort nach Hause, sondern zurück aufs Revier zu fahren, Claire einen Besuch abzustatten oder sogar …
    Die Wölfin tauchte wie aus dem Nichts vor meinem Pick-up auf. Ich trat mit ganzer Kraft auf die Bremse, aber es war zu spät. Ich bereitete mich auf eine Kollision vor, als der Wagen einfach durch das Tier hindurchraste und auf der anderen Seite wieder herauskam.
    Ich schaute in den Rückspiegel. Die Wölfin stand ohne einen Kratzer hinter mir. Ich stieg aus.
    Ich sah ein Flirren von Bewegungen, hörte das Klacken von Krallen auf dem Asphalt, bevor

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