Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wolfsschatten - Handeland, L: Wolfsschatten

Wolfsschatten - Handeland, L: Wolfsschatten

Titel: Wolfsschatten - Handeland, L: Wolfsschatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lori Handeland
Vom Netzwerk:
Obwohl die Rabenspötterin ein Cherokee-Geist ist und die Zauberformel auf Cherokee gesprochen werden muss, könnte der Betreffende die Worte einfach ablesen.“
    „Meine Urgroßmutter sagte immer, dass ein Zauber nur dann funktioniert, wenn der, der die Worte spricht, wirklich versteht, was sie bedeuten.“
    „Um sie zu verstehen, bräuchte man nichts weiter als eine Übersetzung, die leicht zu bekommen wäre, wenn man es ernsthaft darauf anlegt. Zwar muss die Rabenspötterin von den Cherokee abstammen, aber das könnte in dieser Gegend praktisch auf jeden zutreffen.“
    Er hatte recht. Selbst wenn es bei uns nur noch sehr wenige reinblütige Cherokee gab, konnte fast jeder mindestens einen Vorfahren nennen, in dessen Adern ein paar Tropfen Aniyvwija -Blut geflossen waren. Also saßen wir in der Tinte.
    Trotzdem hatte ich nicht die Absicht, tatenlos zuzusehen, wie sämtlichen Bewohnern von Lake Bluff von einer unsichtbaren Raben-Hexe das Herz herausgerissen wurde.
    „Wie es aussieht, solltest du dich wohl besser wieder an diese Übersetzung machen“, schlug ich vor.
    „Ja, das sollte ich.“
    „Ich werde mir ein Hotelzimmer nehmen.“
    Ian hatte sich auf den Boden gekniet, um die losen Blätter einzusammeln, doch bei meinen Worten blickte er auf. „Das musst du nicht.“
    „Doch, das muss ich.“
    Die Hände voller Papiere stand er auf. „Ich werde die ganze Nacht arbeiten. Du kannst in meinem Bett schlafen.“ Ich presste die Lippen aufeinander, aber er bemerkte es nicht, da er sich schon abgewandt hatte, um den chaotischen Wust zu sortieren. „Sobald ich etwas entdecke, gebe ich dir Bescheid. Darum wäre es einfacher, wenn du hierbleiben würdest.“
    Da er recht hatte und ich müde war, gab ich schließlich nach. Er hatte mit mir geschlafen, um die Aufzeichnungen meiner Urgroßmutter in die Finger zu bekommen. Jetzt hatte er sie, darum bezweifelte ich, dass er in absehbarer Zeit versuchen würde, zu mir unter die Decke zu kriechen.
    Ich weiß nicht, warum mir der Gedanke derart zusetzte. Eigentlich sollte ich froh sein, dass ich ihn nicht würde abwimmeln müssen. Ich sollte dankbar sein, dass es zu Ende gegangen war, bevor jemand – ich – wirklich verletzt würde. Ich durfte nicht vergessen, dass er eine Frau hatte. Irgendwo. Trotzdem war der Wunsch, ihn an der Hand zu nehmen und zu seinem Bett zu führen, beinahe übermächtig.
    Und da dem so war, drehte ich mich wortlos um und verließ das Zimmer.
    „Grace!“ Jemand schüttelte mich.
    Ich war mühelos eingeschlafen, eingelullt vom Duft der Laken, von Ians Duft, der tröstlicher war, als er hätte sein sollen.
    Ich riss die Augen auf. Das Rascheln von Papier, das Klicken eines Schalters. Als grelles Licht mein Gehirn malträtierte, zog ich mir stöhnend die Decke über den Kopf.
    Ian zerrte sie wieder nach unten. „Ich habe etwas gefunden.“
    Das weckte mich wirkungsvoller, als eine kalte Dusche und eine heiße Tasse Kaffee es vermocht hätten. „Was?“
    Er setzte sich neben mich aufs Bett, legte die Unterlagen in meinen Schoß und deutete auf die Schrift. In dem Sammelsurium fremdartiger Worte stach mir eines ins Auge.
    „ Kalanu Ahyeli’-ski “, las ich. „Rabenspötterin.“
    „Ja. Das Wort bedeutet eigentlich ‚Mörderhexe‘.“ Er zuckte die Achseln, dabei streifte seine Schulter meine. „Kommt aber aufs Gleiche raus.“
    Ich hatte mich meiner Uniform entledigt und zum Schlafen eines seiner T-Shirts aus der Kommode gemopst. Unter dem Laken überzog eine kribbelnde Gänsehaut meine nackten Beine. Ich knirschte mit den Zähnen, um das Gefühl zu vertreiben.
    „Also findet sich in den Aufzeichnungen meiner Urgroßmutter tatsächlich etwas über die Legende.“
    „Besser noch“, korrigierte Ian mich. „Sie weisen uns den Weg, wie wir sie vertreiben können.“
    Die Gänsehaut, die sich gerade verflüchtigt hatte, kehrte schlagartig zurück. „Wie?“
    Er beugte sich näher zu mir, bis seine Feder über meine Wange strich. Wollte er mich absichtlich verrückt machen? „Hier.“ Er tippte mit dem Zeigefinger auf die Papiere in meinem Schoß. Die Vibration löste an anderen Stellen meines Körpers ein Kribbeln aus. „Wenn ein mächtiger Zauberer der Rabenspötterin ansichtig wird, während sie die Gestalt eines Raben hat, muss die Hexe sterben.“
    Ich verlagerte meine Position auf dem Bett. Meine Hüfte stieß gegen seine. Wir zuckten beide zusammen. Ohne ihn anzusehen, hob ich die Papiere auf und gab sie ihm zurück. „Wie

Weitere Kostenlose Bücher