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Wolfsschatten - Handeland, L: Wolfsschatten

Wolfsschatten - Handeland, L: Wolfsschatten

Titel: Wolfsschatten - Handeland, L: Wolfsschatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lori Handeland
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als Erwachsener – ließ uns ein. Als Ian fragte, ob wir Jack Gesellschaft leisten dürften, nickte sie und zog sich zurück.
    Ich folgte Ian ins Schlafzimmer, wo er einen Sprechgesang auf Cherokee intonierte, während er den mysteriösen Inhalt der braunen Papiertüte, die er mitgebracht hatte, in einem Kreis um das Bett verteilte. Zuletzt legte er eine Bussardfeder auf Jacks Kissen, dann bezogen wir auf zwei Klappstühlen neben der Tür Posten.
    „Falls sich die Rabenspötterin dem Bett nähert, sollte der Zauber sie sichtbar machen, und dann … “ Er spreizte die Hände.
    Beide richteten wir den Blick auf Jack. Er wirkte friedvoller, als ich ihn je erlebt hatte.
    „Müssen die Bussardfedern nicht am Eingang einer Behausung abgelegt werden, um zu wirken?“
    „In ihre Nähe zu gelangen, sollte ausreichen.“
    Ich sah auf die Uhr. Vier Uhr morgens. Es war nicht mehr lange bis zur Dämmerung. Ich bezweifelte, dass sich die Rabenspötterin heute Nacht hier zeigen würde, aber die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt.
    Da wir uns nicht unterhalten konnten, weil wir Jack nicht wecken wollten, verstrich die Zeit nur langsam. Es war warm im Zimmer. Ich war müde. Immer wieder sank mir der Kopf auf die Brust, bevor ich ihn ruckartig nach oben riss und benommen zu Malone starrte, der sich noch immer nicht gerührt hatte, obwohl er weiterhin atmete.
    Ian nahm meine Hand. „Du kannst ruhig schlafen.“
    Ich schüttelte den Kopf. Auf keinen Fall wollte ich von dem grauenvollen Kreischen geweckt werden. Sonst würde ich am Ende noch selbst einen Herzinfarkt bekommen.
    Plötzlich drückte Ian meine Finger so fest, dass meine Knöchel knackten. Ich sah ihn an und verhielt mich ganz still. Er starrte nach oben, als ob er etwas gehört hätte, dann senkte er den Blick. Ich konnte die Augen nicht von ihm abwenden, als er Worte auf Cherokee murmelte, die ich nicht verstand.
    „Wiederhole sie“, befahl er leise.
    Ich versuchte es, machte es aber so schlecht, dass er, seine Stimme so angespannt wie sein Gesicht, sie mir noch einmal vorsagte. Dieses Mal bekam ich es besser hin.
    „Was war das?“, fragte ich.
    „Ein Schutzzauber.“ Er legte den Kopf schräg. „Etwas ist auf dem Weg hierher.“
    Die Luft wurde schwül, so als ob ein Sturm heraufzöge. Ich hätte schwören können, in der Ferne den Schrei eines großen, schwarzen Vogels zu vernehmen. Mein Blick glitt zu Jack, doch der schlief ungestört weiter, worüber ich froh war. So wenig ich ihn auch mochte, wollte ich nicht, dass er verängstigt starb.
    Donner grollte an einem sternenklaren Himmel. Ian und ich sprangen gleichzeitig auf. Er wisperte etwas auf Cherokee, blinzelte, dann verwandelten sich seine Augen in die eines Adlers. Mit ihnen scannte er das Zimmer.
    „Nichts“, flüsterte er im selben Moment, als das Kreischen einsetzte.
    Ich schlug die Hände auf die Ohren. Ian ruckte mit dem Kopf, die Bewegung wirkte grotesk, vogelartig. Durch einen Spalt zwischen den Vorhängen sah ich einen Blitz vorbeizucken. Ian rannte hin und riss sie auf. Funken stoben vom Himmel. Langsam ließ ich die Hände sinken und beobachtete, wie sie zur Erde prasselten.

28
    Das Kreischen verstummte, die Funken verglommen, aber wir konnten das Haus sehen, über dem sie niedergegangen waren. Das Dach glitzerte, als ob Diamanten vom Firmament geregnet wären, nur dass nicht das winzigste Flackern eines Feuers zum sternenübersäten Himmel emporzüngelte.
    „Die Fitzhughs“, stieß ich hervor. „Ben und Nora. Ein junges Paar in den Zwanzigern. Keine Kinder. Sie betreiben die Eisdiele in der Center Street.“ Soweit ich wusste, war keiner der beiden krank, geschweige denn dem Tode nahe.
    Ian gab meine Hand frei und sprintete los. Ich heftete mich dicht an seine Fersen.
    Zwei Häuserblocks hinunter, rasch über die Straße, dann hatte Ian die Eingangstür erreicht und drehte den Knauf.
    „He!“ Ich legte die Hand auf seine Schulter. „Du kannst nicht einfach … “
    Er schüttelte meine Hand ab und trat ein. Durch jahrelanges Training – und weil ich einen Polizisten als Vater gehabt hatte – zögerte ich. Doch sobald ich das Weinen und die Schreie hörte, gab es auch für mich kein Halten mehr. Unter diesen Umständen konnte ich mich ohne Weiteres auf hinreichenden Verdacht berufen.
    Ich fand Ian im Schlafzimmer, wo er ein weiteres Mal seine Kräuter verteilte. Weinend gestikulierte Nora zwischen ihm und ihrem offenkundig toten Mann hin und her. Schon bevor ich dessen

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