Wolfstage (German Edition)
hat mit einer glatten
Eins bestanden und sich zur Feier des Tages in dem Kosmetiksalon herrichten
lassen. So haben die beiden sich kennengelernt.«
Gertrud Kreisler schien mehr über Katis Leben und Vorlieben zu
wissen als deren eigene Mutter. Mehr noch – sie bezog Stellung und mischte
sich höchstwahrscheinlich sogar ein. Johanna wusste nicht, ob sie das gut
finden sollte, aber das spielte ohnehin keine Rolle.
»Tja, Gegensätze ziehen sich wohl an«, bemerkte sie abschließend und
stand auf. »Jedenfalls vielen Dank erst einmal für die Informationen, Frau
Kreisler. Wenn Ihnen noch etwas einfallen sollte, rufen Sie bitte die Kollegen
oder auch mich an.« Sie zückte eine Visitenkarte.
Kreisler erhob sich mit einem kaum merklichen Ächzen. »Selbstverständlich.
Und … hoffentlich finden Sie sie.«
Dazu sagte Johanna lieber nichts. Sie winkte Schuster.
»Was hat die Mitarbeiterin zu dem Foto gesagt?«, fragte sie, als sie
wieder auf der Straße standen.
»Kann sein, dass der mal im Laden war. Kann aber auch nicht sein.
Sie will sich nicht festlegen.«
»Das Übliche.« Johanna seufzte und dachte nach. »Sie haben
sicherlich ein aktuelles Foto von Kati auf Ihrer Dienststelle.«
»Klar.«
»Ich möchte, dass Sie damit nach Schöppenstedt fahren und in der
Pension nachfragen, ob Kati den Maybach mal besucht hat. Und bei der
Gelegenheit erkundigen Sie sich auch gleich noch, wie der Kollege so drauf war –
ob er was von sich erzählt hat und so weiter. Ich habe nachher einen Termin bei
der Kripo in Wolfsburg und möchte vorher noch zur Kosmetikerin.« Sie gönnte
sich ein Grinsen, als Schuster sie verwirrt anstarrte.
»Aha«, sagte er und kratzte sich am Hinterkopf.
»Eva Blum, die beste Freundin von Kati, hat ihren Salon ganz in der
Nähe.«
Schuster schlug sich vor die Stirn. »Ach so, natürlich, jetzt
verstehe ich!« Er wurde rot, als Johanna ihn belustigt ansah.
»Ich bring Sie da schnell vorbei. Oder wollen Sie erst zum Hotel, um
Ihren Wagen zu holen?«
Johanna schüttelte den Kopf. »Lassen Sie mal. Ich mache einen Spaziergang.
Tut mir gut.«
Schuster zögerte. »Nicht dass Sie sich verlaufen.«
»Keine Sorge. Ich bin in Braunschweig und Wolfsburg aufgewachsen und
kenne auch Königslutter ganz gut. Der alljährliche Schulwandertag fand mit
schöner Regelmäßigkeit im Elm statt, und anschließend stand Eisessen am
Kaiserdom auf dem Programm.«
Schuster nahm sich Zeit zum Staunen, während Johanna ihren Rucksack
schulterte. »Noch was, Kollege. Ich würde gerne mit Katis Vater, Robert Lindner
sprechen – wenn möglich noch heute und allein. Können Sie das
arrangieren?«
»Na klar.«
»Außerdem möchte ich, dass morgen ein weiterer Aufruf in der Presse
erscheint, sowohl was Kati angeht, als auch bezüglich der Suche nach
Augenzeugen des Motorradunfalls.« Sie sah kurz auf die Uhr. »Wenn Sie gleich in
der Redaktion anrufen, müssten die das noch bringen können.«
Schuster nickte. »Ja, das kriege ich hin.«
»Dann brauchen wir noch die Adresse von Emilie Funke, Journalistin,
wohnhaft in …«
Schuster winkte ab. »Bornum. Ja, die haben wir. Die Dame ist
bekannt.« Das klang nicht unbedingt so, als sei er ein Fan von ihr.
»Wie darf ich das verstehen?«
»Das ist die Journalistin, die so ein Theater um die Wölfe macht,
die sich im Laufe des Winters im Elm verkrochen haben. Angeblich sollen welche
getötet worden sein. Es hat aber nie verwertbare Spuren gegeben.« Er tippte
sich an die Stirn. »Wenn Sie mich fragen, ist die ein bisschen …«
»Später, Schuster, später«, unterbrach Johanna ihn und überquerte
die Straße.
Eva Blum war bildhübsch. Um genau zu sein: eine richtige
Schönheit. Typ Französin – zierlich, brünett, mit eindrucksvollen braunen
Augen. Natürlich war sie perfekt gekleidet und geschminkt. Johanna konnte sich
lebhaft ausmalen, dass Gertrud Kreisler sich trotz ihrer eleganten Erscheinung
und ihres geschäftlichen Erfolges neben der jungen Frau plump und bieder
vorkam. Das kommt davon, wenn man Vergleiche anstellt, dachte Johanna. Ich
fange erst gar nicht damit an. Erspart mir viel Kummer.
Trotz mancher Gehässigkeit, die Kreisler zum Ausdruck gebracht
hatte, war ihre Einschätzung bezüglich Eva Blums Unsicherheit ein Treffer. Die
junge Frau gab sich zwar locker, aber sie atmete scharf ein, als die
Kommissarin sich vorstellte, und ihr rechtes Augenlid begann zu zucken. Das
musste natürlich noch nichts heißen – viele Menschen reagierten nervös,
wenn
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