Wolfstage (German Edition)
Sie sich denken, warum?«
»Nein. Helfen Sie mir auf die Sprünge.«
Johanna lächelte. »Aber gern. Wie man hört, machen Sie sich stark
für die Wölfe und –«
»Ach du liebe Güte!«, unterbrach Funke sie und hob beide Hände.
»Daher weht der Wind. Hätte ich mir ja denken können.«
Die Kommissarin verzog keine Miene. »Es ist der Eindruck entstanden,
dass Kati Lindner über Ihr Engagement hellauf begeistert war und ebenso wie Sie
eine kritische Gegenmeinung nur schwer akzeptieren konnte.«
Für einen Moment sah es so aus, als würde Funke mit der Faust auf
den Tisch hauen. Aber sie tat es nicht. Leider. Zeugen, die die Fassung
verloren, gaben mehr preis. Sie atmete zweimal tief durch und winkte dann ab.
»Umgekehrt wird ein Schuh daraus, Frau Kommissarin«, sagte sie
betont ruhig. »Die Wolfshasser sind nicht in der Lage, über den eigenen
Tellerrand mit all ihren Vorurteilen hinwegzublicken, und die Vorbehalte von
Polizeiseite sind nichts Neues für mich – nein, nun wirklich nicht.
Wahrscheinlich haben Ihnen die Kollegen nebenan bereits in schreiend bunten
Farben von mir berichtet. Allerdings wüsste ich ganz gerne, wo Sie den
Zusammenhang zwischen Katis Verschwinden und unserem zufälligerweise
gemeinsamen Standpunkt bezüglich der Wölfe sehen.«
Johanna lehnte sich zurück und nickte bedächtig. Sie wünschte, sie
hätte daran gedacht, sich einen Kaffee bereitzustellen – und ein paar
Kekse. Bei Vernehmungen brauchte sie etwas Süßes. Als Ersatz für die
Zigaretten, unter anderem.
»Sie bringen die Sache sehr schön auf den Punkt, denn genau das ist
hier die Frage. Kann es da einen Zusammenhang geben? Einen unangenehmen
womöglich?«
Funke starrte sie schweigend an.
»Kann es sein, dass sich jemand provoziert gefühlt hat?«, schob die
Kommissarin hinterher. »Halten Sie das für möglich?«
»Hier in der Gegend fühlen sich einige provoziert, aber bestimmt
nicht von Kati. Eher von mir und meinen Artikeln«, erklärte die Journalistin.
»Woran machen Sie das fest?«
»Daran, dass bei mir immer mal wieder Leute ums Haus schleichen, zum
Beispiel. Das ist aber nichts, was die hiesige Polizei interessiert.«
»Wenn Sie sich bedroht fühlen, sollten Sie sofort die Kollegen
rufen«, warf Johanna ein.
»Natürlich. Danke für den Hinweis. Ich werd’s mir merken.« Die
Ironie war unüberhörbar.
Johanna zog eine Augenbraue hoch. »Ich meine das ganz ernst: Tun Sie
das unbedingt.«
Funke nickte bedächtig. »Klar doch.«
Johanna warf ihr einen scharfen Blick zu. »Noch mal zurück zu Kati«,
fuhr sie dann ungerührt fort. »Warum sind Sie davon überzeugt, dass die Leute
sich nicht von ihr provoziert fühlen? Ich denke, Sie kennen sie kaum.«
Emilie Funke überlegte kurz. »Sie war … Sie ist eine muntere, intelligente
Gesprächspartnerin, die kein Blatt vor den Mund nimmt – egal, worum es
geht. Wir haben uns unterhalten, wenn ich im Laden war und sie Zeit hatte.
Wahrscheinlich hat sie sich informiert und auch hier und da Diskussionen zu dem
Thema angeregt – das könnte ich mir gut vorstellen. Aber ihr Name taucht
ja nicht in der Öffentlichkeit auf – wie meiner. Und wenn sie sich stärker
engagiert hätte, wäre ich sicherlich eine der Ersten gewesen, die davon
erfahren hätte. Nein, ich kann mir nicht vorstellen, dass der Wind aus dieser
Ecke weht.«
Das Resümee klang bemerkenswert vernünftig.
»Hat sie mal Freunde erwähnt oder die Überlegung, spontan zu
verreisen? Ärger mit den Eltern oder Ähnliches, das Sie jetzt aufhorchen
lässt?«
»Nein, nichts dergleichen«, antwortete Emilie Funke sofort. »Jedenfalls
ist da nichts bei mir hängen geblieben.«
Johanna reichte ihr das Foto von Wiebor. »Ist Ihnen der schon mal
über den Weg gelaufen?«
Die Journalistin schüttelte den Kopf. »Nein.«
Johanna machte sich eine Notiz, bevor sie wieder hochsah. »Gut, Frau
Funke, dann danke ich Ihnen für Ihre Hinweise. Wir hören sicherlich noch
voneinander.«
»Das kann man nicht ausschließen.« Funke stand auf. Das »leider«
hatte sie sich verkniffen, aber es färbte ihren Tonfall überdeutlich. Mit
flüchtigem Gruß verließ sie den Raum.
Was für eine nervtötende Zicke, fuhr es Johanna durch den Kopf. Sie
konnte die Einschätzung der Kollegen gut verstehen. Eine Journalistin, die als
Tierschutztussi unterwegs war – was konnte es Schlimmeres geben?
Andererseits wusste sie natürlich, dass dieses vorschnelle Urteil nicht fair
war, nur: Wo stand geschrieben, dass
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