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Wolfstage (German Edition)

Wolfstage (German Edition)

Titel: Wolfstage (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Kuck
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nicht den Tapferen. Herr Mansloh hat
bereits zugegeben, dass Sie und er und noch einige andere einem besonderen
Sport frönen. Sie gehen auf die Jagd, sie töten Wild und Wölfe, Sie machen sich
einen Spaß daraus, Emilie Funke zu erschrecken – wie ungeheuer mutig!«
Johanna zog eine Augenbraue hoch. »Und Rolf Mansloh hat noch so einiges mehr
berichtet …«
    Hildmann hob das Kinn. »Sie können mir viel erzählen, wenn der Tag
lang ist.«
    »Der Tag wird noch sehr lang, darauf können Sie sich verlassen«,
blaffte Johanna ihn an. »Und die Nacht auch, wenn es sein muss. Herr Mansloh
ist dabei, eine Familie zu gründen. Seine Frau ist hochschwanger. Glauben Sie
wirklich, der setzt das alles aufs Spiel für Ihre obskuren Spielchen und
Gruppenrituale? Wer drei Wölfe tötet, bekommt eine Namensgravur? Ach, wie
reizend! Wenn es nicht um Leben und Tod ginge, würde ich sagen: ziemlich
lächerlich!«
    Hildmann starrte sie aus schmalen Augen an.
    »Dominanz, Stärke, Führung …«, spann Johanna den Faden weiter.
»Kommt mir irgendwie bekannt vor, der ganze Kram. Helfen Sie mir auf die
Sprünge?«
    »Sie haben überhaupt keine Ahnung«, erwiderte Hildmann. »Und Sie
dürfen mich hier gar nicht festhalten, wenn Sie nicht –«
    »Sie waren am Samstagabend mit Ihren Wald-und Wiesenkameraden zum
fröhlichen Abschießen verabredet«, wischte Johanna seinen Einwand beiseite.
»Milan hat sie zu Hause abgesetzt, ist aber nicht sofort weitergefahren, wie
Sie ausgesagt und vielleicht sogar zu diesem Zeitpunkt selbst vermutet haben.
Er hat gewartet. Und Ausschau gehalten. Sie hatten sich gestritten. Das lag ihm
noch im Magen. Worum es ging, werden wir in Kürze erfahren. Er hat gesehen,
dass Sie mit ihren ›Kameraden‹ das Gelände verlassen haben. Und ist Ihnen
unbemerkt gefolgt – Sie müssen ja wahnsinnig aufmerksame Jäger sein.«
Johanna brach ab und musterte ihn. »Soll ich weitermachen?«
    »Tun Sie, was Sie für richtig halten. Sie dürften ja inzwischen überprüft
haben, dass ich im Kino war.«
    Johanna beachtete den Einwand gar nicht. »Es wurde dunkel. Sie haben
eine Spur aufgenommen. Wild verfolgt, was auch immer. Und dann hat einer von
Ihnen doch mitgekriegt, dass Sie nicht allein unterwegs waren. Und weil Sie
schon mal dabei waren, haben Sie geschossen …«
    Hildmann verschränkte die Arme.
    »Wir haben Ihren Pfeil gefunden – der, mit dem definitiv Ihr
Bruder getötet wurde.«
    Hildmann schwieg.
    »Milan hat sich noch eine ganze Weile durch den Wald geschleppt,
bevor er sich den Pfeil aus der Wunde zog und zusammenbrach. Es war inzwischen
dunkel. Die großen Wolfsjäger schafften es nicht, ihren tödlich verletzten
Verfolger aufzuspüren. Also sind Sie zurückgekehrt, haben Milans Wagen
geknackt, beiseite geschafft und gemeinsam mit Gregor Bischoff eifrig an Ihrem
Alibi gebastelt: Sie haben sich Tickets für einen Kinofilm besorgt, der längst
gelaufen war, und der Kartenverkäuferin einen Schein zugesteckt; dann sind Sie
in zwei Bars gewesen und sorgten dafür, dass man sich an Sie erinnert.
Anschließend gemeinsame Rückkehr, Playstation und so weiter.«
    Johanna nickte nachdenklich. »Als Sie am Sonntag bei Ihren Eltern
eintrafen, wussten Sie bereits, was auf sie zukommen würde. Nach der ersten
Befragung durch mich haben Sie sich noch am gleichen Abend an Milans PC zu schaffen gemacht. Sie haben Mails gelöscht –
wir werden Sie wiederherstellen.«
    Henrik Hildmanns Blässe nahm um eine weitere Nuance zu, obwohl das
kaum noch möglich schien.
    »Ein Kollege wird gleich Ihre Fingerabdrücke nehmen, und Sie werden
heute Abend nicht mehr nach Hause gehen.«
    Er schluckte.
    »Ist es das wert, Henrik? Ihr Bruder ist tot, und Sie sind dafür
verantwortlich! Wie sollen Ihre Eltern das je verarbeiten können –
geschweige denn Sie?«
    Sekundenlang hörte man nur Hildmanns schweres Atmen. Dann gab er
einen seltsamen Laut von sich. Ein Aufstöhnen, das in einem Räuspern mündete
und abrupt endete. Er legte die Unterarme auf den Tisch und sah Johanna aus
tief umschatteten Augen an.
    »Es war ein Unfall«, flüsterte er. »Ein Unglück. Das müssen Sie mir
glauben! Wir haben nicht gesehen, dass Milan uns auf den Fersen war.
Irgendwann, als die Dämmerung eingesetzt hatte, haben wir Geräusche bemerkt,
die wir nicht zuordnen konnten. Es hätte ein Tier sein können. Ein großes
gefährliches Tier. Ein Wolf … Wir hatten Angst. Irgendwann hörten wir so
was wie ein Meckern, ein Schnauben, ein heiseres Lachen, ich

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