Wolfstage (German Edition)
Lindner hilfreich sein könnte?«, fragte
sie beiläufig.
»Nein. Nichts. Ich habe bereits alles gesagt.« Er sah kurz auf den
Rekorder.
»Gut, dann lassen Sie uns zunächst die wesentlichen Fakten des Gesprächs
einfach wiederholen. Sie haben vor zwei Jahren einen Kurs im Bogenschießverein
in Velpke geleitet, wo Sie Kati Lindner kennenlernten. Sie hatten eine Affäre
mit der jungen Frau.«
»Affäre, meine Güte: Ich war einmal mit ihr …«
»Ja, richtig, in der Kiste – ich erinnere mich.« Johanna schlug
sich leicht vor die Stirn und warf ihm einen spöttischen Blick zu. »Wie konnte
ich das verwechseln! Ähnliches wie Sie hat Bernd Schlossner, der auch
Kursteilnehmer war, erlebt. Das vermuten Sie zumindest.«
»Ich hatte den Eindruck, ja.«
»Sie haben Kati Lindner, abgesehen von einer kurzen zufälligen
Begegnung bei irgendeinem Straßenfest –«
»Volksfest«, korrigierte Mansloh.
»Auch gut – abgesehen also von einer zufälligen Begegnung bei
irgendeinem Volksfest haben Sie Kati Lindner nicht mehr wiedergesehen oder sich
mit ihr verabredet, auch richtig?«
»Korrekt.«
Johanna lehnte sich seufzend zurück. »Was machen Sie eigentlich
beruflich? Louis Kamper erwähnte, dass Sie seinerzeit gerade erst mit dem
Studium fertig waren – Betriebswirtschaft, nicht wahr?«
»Das ist auch korrekt.«
»Und – haben Sie einen Job?«
Mansloh nickte. »Ja, ich hatte Glück. Ich arbeite als Betriebswirt
in einer Verwaltungsgesellschaft.«
»Klingt aufregend.«
»Ist es auch.«
»Und Ihr Hobby haben Sie völlig aufgegeben?«
Mansloh verschränkte die Hände ineinander. »Sie meinen das Bogenschießen?«
»Ja, genau, das Bogenschießen.«
Johanna gab ihrer Stimme einen gelangweilten Klang. Mansloh sollte
ruhig davon ausgehen, dass sie lediglich das Protokoll aufnehmen wollte und
sich nicht im Mindesten für Einzelheiten seiner Biografie interessierte.
»Ich komme nicht mehr dazu. Job, Freundin, demnächst Baby …« Er
lächelte. »Außerdem gibt es hier in der Gegend nicht so viele Vereine oder
Gruppen, die mir gefallen.«
Johanna erwiderte das Lächeln nur für einen winzigen Augenblick.
»Ach ja, Sie bevorzugen die Armbrust, war es nicht so? Und das Jagdschießen.«
Mansloh lehnte sich zurück. »Ich bevorzuge es nicht. Ich habe nur
darauf hingewiesen –«
»Dass die Armbrust in einer bestimmten Tradition steht. Oder so
ähnlich«, fiel Johanna ihm ins Wort. »In der Tradition des Tötens.«
Mansloh kratzte sich im Nacken.
»Ist es nicht langweilig, immer nur auf so eine blöde leblose Scheibe
zu zielen?«
Er schüttelte langsam den Kopf. »Das ist nicht langweilig. Ganz und
gar nicht.«
Johanna schlug einen Hefter auf und entnahm ihm zwei Fotos. Sie
legte das erste vor ihn hin. Er warf nur einen kurzen Blick darauf.
»Den haben Sie mir schon vor zwei Tagen gezeigt. Ein Bolzen.
Irgendein Bolzen.« Er winkte gelangweilt ab.
»Sie haben recht, darauf ist nicht sehr viel zu erkennen. Dann sehen
Sie sich mal das nächste an. Vielleicht erinnern Sie sich dann besser.«
Sie schob das zweite Foto zu ihm hinüber. Im Mittelpunkt der Vergrößerung
war die Gravur zu sehen. Das filigrane Muster wirkte etwas verzerrt, und die
beiden dicht aneinandergerückten Buchstaben R und M waren nicht
sauber zu entziffern, aber gut zu erkennen. Manslohs Blick begann zu flattern.
»Na, sehen Sie. Dachte ich mir, dass Sie Ihren persönlichen Pfeil
doch wiedererkennen«, bemerkte Johanna ruhig. »Wir haben noch einen zweiten,
ganz ähnlich verzierten Bolzen. Henrik gibt sich ja richtige Mühe mit seinen
kleinen Gravur-Kunstwerken. Und wissen Sie, was wir noch so alles haben?«
Er antwortete nicht.
»Mit ebensolchen Bolzen getötete Wölfe, dann die verschwundene Kati
Lindner, wie Sie ja bereits wissen, darüber hinaus einen jungen Mann namens
Jonathan Maybach, der einige Wochen lang in der Tagungsstätte im Reitlingstal als
Kfz-Schlosser tätig war und bei einem Motorradunfall schwer verletzt wurde –
übrigens ganz in der Nähe Ihres Wohnorts.« Sie sah ihn abwartend an.
»Habe ich was vergessen? Ach ja: einen jungen Mann, auf den im Elm
mit einem uns vorliegenden Bolzen geschossen wurde, wie die Gerichtsmedizin
zweifelsfrei nachgewiesen hat, und der an seinen schweren Verletzungen starb.«
Manslohs Gesichtsfarbe wechselte von Weiß auf Rot und wieder auf
Weiß.
»Ich habe mit alldem nichts zu tun«, stieß er hervor.
»Nein? An Ihrem ganz persönlichen Bolzen klebte zumindest das Blut
von Wölfen. Und
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