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Wolfstod: Laura Gottberg ermittelt

Wolfstod: Laura Gottberg ermittelt

Titel: Wolfstod: Laura Gottberg ermittelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicitas Mayall
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gewesen sein könnte?»
    Er seufzte, rieb seine Nase und schüttelte den Kopf. «Alle, die mir spontan einfallen, sind schon tot. Nein, da kann ich Ihnen nicht helfen, Frau Kommissarin.»
    «Kennen Sie die Frau Neugebauer?»
    «Jaja, von früher. Die geht ja nicht mehr aus dem Haus seit ihrem Oberschenkelhalsbruch.»
    «Die Frau Neugebauer hat gesagt, dass der Dobler ein schlechter Mensch gewesen sei.»
    «Da hat sie recht. Wenn ich mich richtig erinnere, dann hat der Dobler ihren Mann an die Amis verraten, und der hat dann ewig seine Entnazifizierung nicht gekriegt. Deswegen ging’s den Neugebauers nach dem Krieg lange Zeit sehr schlecht.»
    «Und war der Herr Neugebauer ein Nazi?» Laura fühlte sich allmählich ebenfalls reif für einen zweiten Himbeergeist.
    «Na ja, wie man’s nimmt, Frau Kommissarin.»
    «Und wie nimmt man’s?»
    «Er … er war schon einer. Aber kein wirklich fanatischer. So einer halt wie die meisten damals.»
    «Ach, so einer.»
    «Ja, so einer.»
    «Hat der Dobler Sie auch verpfiffen, Herr Mayer?»
    Der alte Mann senkte den Kopf und nickte lächelnd vor sich hin.
    «Sie sind eine ganz Gescheite, Frau Kommissarin. Aber Sie haben kein Glück. Mich hat er nicht verpfiffen, der Dobler. Ich war nämlich nicht einmal in der NSDAP. Prost, Frau Kommissarin.»

    Als Laura wieder in ihrem Wagen saß, hatte sie das Gefühl, dass der alte Mann ihr etwas verschwiegen hatte. Sie war sich dessen ganz sicher – da war ein leicht spöttischer Ausdruck in seinen Augen gewesen, und zum Abschied hatte er gesagt, dass man nicht alles im Leben aufklären müsse. Um den Dobler sei es nicht unbedingt schade.
    Plötzlich freute sie sich nicht mehr ganz so heftig auf die Reise nach Italien. Nur ungern überließ sie Peter Baumann die weiteren Ermittlungen im Fall Dobler. Immerhin hatte sie so viel in Erfahrung gebracht, dass der Staatsanwalt die Sache nicht als Selbstmord zu den Akten legen konnte.
    Inzwischen war es beinahe Mittag. Zeit, bei ihrem Vater vorbeizuschauen und ihn auf die Reise vorzubereiten. Vielleicht konnte er ihr im Fall Dobler sogar einen Rat geben. Der alte Emilio Gottberg hatte häufig einen untrüglichen Instinkt.
    Während sie ihren Mercedes zu seiner Wohnung am Englischen Garten lenkte, dachte sie über das Wort Entnazifizierung nach. Es erinnerte sie an Entlausung oder Desinfektion, und sie fragte sich, wie man jemanden entnazifizieren konnte. Der Begriff erschien ihr vollkommen absurd. Vor allem wenn man bedachte, wie viele Nazis entnazifiziert worden waren, die dann ähnlich wie Dobler blitzschnell die Seiten wechselten und als vorbildliche Demokraten neue Karrieren begannen. Lauras Vater hatte noch viele Jahre nach dem Krieg Richter und Anwälte zu Fall gebracht. Der alte Gottberg war ein toleranter Mensch, aber bei alten oder neuen Nazis kannte er keine Nachsicht.
    Als ihr Handy klingelte und sie auf dem Display seine Nummer sah, musste sie lächeln. Er rief fast immer an, wenn sie intensiv an ihn dachte – allerdings auch, wenn sie nicht an ihn dachte.
    «Hallo, Babbo», sagte sie.
    «Bist du gar nicht böse, dass ich anrufe?»
    «Nein.»
    «Wo steckst du denn?»
    «Fast vor deiner Haustür.»
    «Ach, wie gut!», rief er. «Bitte fahr zu meinem Lebensmittelladen und bring mir zwei Weißwürste mit und süßen Senf und eine Semmel. Den Fraß von heute habe ich denen gleich wieder mitgegeben.»
    «So schlimm?»
    «Was würdest du zu matschigem Salat, einem fettigen Gummiomelett mit Dosenpilzen und Schokoladencreme sagen, die wie Hundescheiße aussieht?»
    «Also Vater!»
    «Hab dich nicht so und sag ja nicht, dass Leute in der Dritten Welt froh wären, so was zu essen. Auch denen wünsche ich so was nicht!»
    Laura lachte.
    «Es ist nur halb so lustig, wie es klingt, wenn man jeden Tag solchen Fraß vorgesetzt bekommt», knurrte er.
    «Vater, das mit der Dritten Welt habe ich noch nie zu dir gesagt!»
    «Aber der junge Kerl, der mir das Zeug liefert, hat es gesagt!»
    «Wahrscheinlich aus Verzweiflung!»
    «Wie meinst du das?»
    «Erklär ich dir später. Ich hole jetzt Weißwürste für uns beide!»
    Laura drehte um und fuhr zurück zu dem kleinen Lebensmittelladen in der Osterwaldstraße. Sie kannte den ewigen Kampf ihres Vaters gegen Essen auf Rädern. Emilio Gottberg war an die köstlichen Gerichte gewöhnt, die seine italienische Ehefrau ihm jahrzehntelang serviert hatte.
    Im Grunde ist er ein verwöhnter Macho, dachte Laura, als sie zehn Minuten später mit den Weißwürsten

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