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Wolfstod: Laura Gottberg ermittelt

Wolfstod: Laura Gottberg ermittelt

Titel: Wolfstod: Laura Gottberg ermittelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicitas Mayall
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vor seiner Wohnung stand. Doch als er die Tür öffnete, so aufrecht wie möglich und mit jenem strahlenden Lächeln, das er speziell für seine Tochter aufsetzte – da wusste sie, dass es nur sein Widerstand gegen die Grausamkeit des Lebens war. Niemals würde er den Tod seiner Frau akzeptieren. Sein Kampf gegen Essen auf Rädern war ein etwas verquerer, hilfloser Kampf gegen den Tod.
    Laura nahm ihren Vater in die Arme, streichelte seinen Rücken, spürte, wie dünn er geworden war. Die Tüte mit den Weißwürsten landete auf dem Boden, und als sie sich von ihm löste, schaute er sie etwas verwirrt an.
    «Stimmt was nicht?»
    «Warum soll etwas nicht stimmen, wenn ich das Bedürfnis habe, dich in den Arm zu nehmen? Mir war einfach danach!»
    «Na dann.»
    Er bückte sich mühsam und hob die Weißwürste auf. Spontane Gefühlsausbrüche seiner Tochter machten ihn stets ein wenig verlegen. Auch das mochte Laura an ihm. Als er sah, dass sie sechs Weißwürste mitgebracht hatte, lächelte er wieder.
    «Du isst also tatsächlich mit mir.»
    «Ja. Und ich brauche deinen Rat.» Sie wollte ihn behutsam auf die bevorstehende Reise vorbereiten, denn sie war sich sicher, dass er eigentlich nur von der Toskana träumte und sich vor der wirklichen Toskana eher fürchtete. Während sie die Würste wärmte, erzählte sie ihm deshalb die Geschichte vom seltsamen Tod des Gustav Dobler und von den Gesprächen, die sie mit den alten Bewohnern der Baugenossenschaft geführt hatte.
    «Lass sie bloss nicht aufplatzen», unterbrach der alte Gottberg, der bereits erwartungsvoll vor seinem Teller saß.
    «Ich pass schon auf.»
    «Du darfst sie nie kochen, wenn du dir selbst einmal welche machst. Wenn du sie kochst, dann platzen sie.»
    «Jaja. Ich bin Münchnerin, falls du das vergessen hast. Also, diese Sache mit dem Dobler muss einen ziemlich ernsten Hintergrund haben. Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand ihn jetzt umbringt, weil er ihn bei der Entnazifizierung hingehängt hat. Da sind die Leut lang drüber weg. Wenn du mich fragst, dann hat der Dobler jemanden auf dem Gewissen. Vielleicht hat er tatsächlich einen Menschen ins KZ gebracht, und derjenige ist dabei ums Leben gekommen, oder jemand hat sich selbst umgebracht aus Angst vor den Nazis. Irgend so was.»
    Er tunkte eine Weißwurst in den süßen Senf ein und saugte an ihr, wie die Münchner es machen. Eigentlich war es keine besonders vornehme Art zu essen, dafür aber ein echter sinnlicher Genuss. Laura tat es ihrem Vater gleich, und sie zwinkerten sich zu – beide an die Empörung von Lauras Mutter denkend, wenn Vater und Tochter sich beim Weißwurstessen gegen sie verbündeten.
    «Hast du übrigens noch Lust, in die Toskana zu fahren?», fragte Laura und leckte sich die Finger ab.
    «Natürlich!»
    «Gut. Dann fang schon mal an zu packen. Am Donnerstag fahren wir – mit dem Auto und ganz gemütlich!»
    Er starrte sie mit offenem Mund an.
    «Meinst du das wirklich?»
    «Ganz wirklich.»
    «Dann bestell ich sofort das Essen auf Rädern ab.»
    Sie brachen beide in Gelächter aus.

    Während Laura und ihr Vater Weißwürste aßen, saß Angelo Guerrini vor der Osteria Chiacchiera in der Sonne und las Zeitung. Er wartete auf seine Terrine ribollita und stellte nach einer Weile fest, dass er die Zeitung gar nicht las, sondern nur mit den Augen über die Seiten wanderte. Seine Gedanken waren ganz woanders – an drei, vier Orten gleichzeitig. Bei Paolo Montelli, bei Elsa Michelangeli, bei Enzo Leone und bei Laura, zwischendurch auch bei seinem Vater, der unbedingt Maipilze am Monte Amiata mit ihm sammeln wollte. Maipilze! Inzwischen war es Ende Juni, und es hatte lange nicht mehr geregnet. Wahrscheinlich waren sie alle vertrocknet, die Maipilze.
    Hartnäckig aber kehrten seine Gedanken zu seinem ehemaligen Schulkameraden Montelli zurück. Und jedes Mal erfasste ihn eine neue Welle der Wut. Ein glühender Anhänger der Weltrevolution, ein Anwalt der Armen und Ausgebeuteten war zum Industriellen mit pompöser Villa geworden, zum Ausbeuter illegaler Einwanderer! Mit goldener Rolex und blauem Jaguar. Vermutlich war die blonde Armani-Zicke, die ihn so verächtlich angesehen hatte, seine Ehefrau!
    Wie macht man das?, fragte Guerrini halblaut seine Zeitung. Der ebenfalls zeitunglesende Mann am Nebentisch warf ihm einen prüfenden Blick über den Rand seiner Brille zu, und Guerrini räusperte sich verlegen.
    Zum Glück kam in diesem Augenblick die ribollita , und sie duftete so

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