Wolfstod: Laura Gottberg ermittelt
hellhäutig, dünn und faltig, passte eigentlich besser an die Nordsee als in die Toskana. Laura dachte spontan an einen Friesen, als sie auf ihn zuging. Und tatsächlich war der norddeutsche Tonfall nicht zu überhören, als er sie begrüßte, offensichtlich war er froh darüber, deutsch sprechen zu können.
«Ich habe schon darauf gewartet, dass jemand von der Polizei kommt. Habe mir Sorgen gemacht, weil mein Italienisch nicht so astrein klingt. Schön, dass Giorgio so wichtig ist, dass jemand aus Deutschland geschickt wird!»
Er hieß Benno Peters und seine Zigeunerin Roswita Wolke.
«Wie schön», sagte Laura.
«Es ist mein Künstlername, aber ich habe ihn als meinen echten eintragen lassen.» Die Illustratorin lächelte nicht, sondern musterte Laura prüfend. «Ermitteln Sie in dieser schrecklichen Geschichte?»
«Ich leiste Ermittlungshilfe. Zuständig ist Commissario Guerrini.»
«Ah.» Jetzt taxierte sie Guerrini.
«Kommen Sie herein.» Benno Peters öffnete die Haustür und ging voraus. Ehe Laura ihm folgte, nahm sie unzählige Katzen wahr, die in Mauernischen ruhten, eine humpelte quer über den Hof, eine andere huschte vor ihnen her ins Haus. Katzenbilder bedeckten auch die Wände des Flurs. Zeichnungen, Ölbilder, Fotos. Alle mit Namen und einem Datum versehen. Peters führte sie in einen Innenhof, der von Weinranken überdeckt wurde. Grünes Dämmerlicht herrschte hier, und es war angenehm kühl. Ein kleiner Brunnen plätscherte an der Hauswand, die mit Terracottareliefs geschmückt war: Sonne und Mond, Katzenköpfe, seltsame Teufelsfratzen. Auch hier lagen Katzen herum, merkwürdige Katzen. Manche hechelten wie Hunde, andere waren so mager, dass man ihre Knochen unterm Fell sehen konnte.
Auf dem Steintisch in der Mitte des Patios stand eine Glaskaraffe mit Eiswasser, eine zweite mit rotem Fruchtsaft und eine dritte mit Weißwein. Außerdem vier Gläser. Laura runzelte die Stirn und sah Benno Peters fragend an.
«Ich habe Sie kommen sehen. In diesem Tal wohnen nur wir. Deshalb war ich sicher, dass Sie zu uns wollten. Möchten Sie Oliven? Wir legen sie selbst ein …»
«Nein, danke. Wir haben nicht viel Zeit. Woher wussten Sie übrigens, dass wir zu zweit sind?»
Peters wurde ein bisschen rot. «Ich habe mit dem Fernglas geschaut. Das mache ich immer, wenn ein Wagen in unser Tal kommt. Ich möchte vorbereitet sein.»
«Auf was?»
«Was auch immer.» Er zuckte die Achseln.
«War Altlander ein Freund von Ihnen?»
«Ja und nein. Er war kein einfacher Mensch. Manchmal sahen wir uns zweimal die Woche und dann wieder mehrere Monate gar nicht. Aber ich würde sagen – ja, irgendwie war er ein Freund.»
«Wann haben Sie ihn zum letzten Mal gesehen?», fragte Guerrini auf Italienisch. Diesmal antwortete Roswita Wolke.
«Vor einer Woche. Es muss ein paar Tage vor seinem Tod gewesen sein.»
«Ist Ihnen irgendetwas aufgefallen?»
Roswita warf Peters einen Blick zu.
«Er war ärgerlich.»
«Worüber?» Guerrini nahm ein Glas Eiswasser von Peters entgegen, nickte dankend, blieb aber stehen.
«Er war einfach wütend. Ich konnte das spüren. Er hatte schlechte Laune, sprach zu laut, war sogar zu seinem Hund unfreundlich.»
«Er hat nicht gesagt, warum?»
«Nein. Aber das habe ich auch nicht erwartet. Giorgio sprach selten über das, was ihn wirklich bewegte. Solche Dinge schrieb er auf.»
«Warte!» Peters unterbrach seine Freundin. «Er hat doch was gesagt. Vielleicht warst du gerade nicht im Zimmer. Er hat gesagt, dass ihn alles ankotzt … Entschuldigung, aber das sagte er … und dass er an einer Sache dran sei, die stinke!»
«Mehr nicht?» Laura umfasste mit beiden Händen das kalte Glas, das Peters für sie gefüllt hatte.
«Nein, mehr nicht. Ich habe nachgefragt, aber er schüttelte nur den Kopf und sagte, dass ich es ohnehin bald erfahren würde.»
«Nehmen Sie’s nicht zu ernst», warf Roswita Wolke ein. «Giorgio sagte öfter solche Dinge. Es machte ihm Spaß. Außerdem hat ihn eine Menge angekotzt!» Heiser lachte sie auf, zog einen langen dünnen Zigarillo aus ihrer Rocktasche und zündete ihn an. «Ich weiß auch gar nicht, ob ich ihn wirklich mochte. Kinderbuchautoren hat er nicht geschätzt – ich meine, für ihn waren wir keine Leute, die diese Welt bewegen. Und nur das zählte für Giorgio.» Wieder lachte sie. «Für mich war er nicht mehr als ein Nachbar, und weil er Deutscher war, sah man sich ab und zu. Benno hat mehr in diese Beziehung hineingelesen, als wirklich
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