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Wolfstod: Laura Gottberg ermittelt

Wolfstod: Laura Gottberg ermittelt

Titel: Wolfstod: Laura Gottberg ermittelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicitas Mayall
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Siena bei Freunden bleiben wollen, dann können Sie das machen. Sergente Tommasini wird Sie begleiten und für Ihre Sicherheit sorgen. Einer der Beamten wird Sie abholen und morgen wieder zur Questura bringen, damit wir unser Gespräch fortsetzen können. Buona sera!»
    Enzo Leone hielt die Augen geschlossen und atmete schwer, der alte Pietro grinste aus unerfindlichen Gründen, und Tommasini machte ein skeptisches Gesicht. Er folgte Laura und Guerrini in die Eingangshalle.
    «Das geht doch nicht!», flüsterte er. «Ich kann ihn ohne richterlichen Beschluss nicht einfach festhalten.»
    «Mach einfach, was ich dir gesagt habe. Morgen hast du deinen richterlichen Beschluss. Du siehst doch genau, dass er bald weich ist. Der schwarze Geländewagen muss nur noch ein-, zweimal durchs Bild fahren, dann erzählt er uns alles, was er weiß.»
    «Mein älterer Bruder hat einen – aber das wäre nicht fair, Commissario.»
    «Ist es fair, jemanden umzubringen?»
    «Glauben Sie, dass er’s war?»
    «Möglich wäre es, oder hast du einen anderen Vorschlag?»
    Tommasini zuckte die Achseln.
    «Bene», murmelte er. «Bene.»

    «Leone kommt mir vor wie ein Fußballspieler, der sich bei der geringsten Berührung hinwirft und so tut, als sei er schwer verletzt, und gleichzeitig wie einer, der anderen von hinten ein Bein stellt und jede Schuld weit von sich weist!», knurrte Guerrini und warf die Arme hoch, die geöffneten Handflächen gen Himmel gereckt. «Wir Italiener sind ziemlich gut in solchen Inszenierungen.»
    «Leidest du unter Selbsthass?», fragte Laura, als sie die Halle durchquerten. Sie wollte Altlanders Arbeitszimmer sehen, und ihr Blick blieb, wie der aller Besucher, an dem riesigen Gemälde von Bacon hängen.
    Noch einer mit Selbsthass, dachte sie. Der es gemalt hat und der es aufgehängt hat – zwei Selbsthasser. Sie wandte sich zu Guerrini um. «Und? Leidest du darunter?»
    «Unter was?»
    «Unter Selbsthass?»
    «Warum stellst du solche Fragen, Laura? Natürlich leide ich manchmal darunter – wie alle Menschen vermutlich. Du nicht?»
    «Selten. Aber wenn ich darunter leide, dann heftig. Übrigens – unsere Fußballspieler können das auch, nicht nur die Italiener.»
    «Aber sie können es nicht so gut!»
    «Wenn du darauf bestehst …» Sie nahm sehr bewusst eine Stufe nach der anderen, strich mit der Hand über die rohen Steine der Wand, blieb vor der verschlossenen Tür stehen und wartete darauf, dass Guerrini das Siegel aufbrach. Er suchte nach dem kleinen Taschenmesser, das er stets bei sich trug, fand es endlich in einer der vielen Taschen seiner Leinenweste.
    «Ich habe noch ein bisschen weiter in T. S. Eliot gelesen», sagte Laura. «Es ist eine schreckliche Dichtung, aber sie brennt sich regelrecht ins Gehirn ein. Mir fallen gerade wieder ein paar Sätze ein, nur so ungefähr:
Ich denke wir sind auf der Rattenzeil,
Dort wo die Toten ihr Gebein verloren.

‹Was ist das für ein Rauschen?›
Der Wind unter der Tür.
‹Und dies Geräusch jetzt? Was macht der Wind da?›
Nichts, zweimal nichts.»
    Guerrini starrte sie an und fuhr fort:
«‹Du
Weißt rein gar nichts? Du siehst nichts? Du erinnerst dich
An nichts?›

Ich erinnere mich:
Perlen sind die Augen sein …
    Mehr fällt mir nicht ein. Aber es läuft mir kalt über den Rücken, wenn ich daran denke. Altlanders Gedichte sind noch erschreckender und stärker als die von Eliot. Ich werde dir heute Abend ein paar vorlesen.»
    «Wieso kennst du Eliot, Angelo?»
    «Ich kenne ihn nicht wirklich. Ich habe irgendwann in der Schule was von ihm gelesen und habe mich daran erinnert, dass er The Waste Land geschrieben hat. Und daraufhin hab ich’s eben gelesen. Kein besonderes Verdienst, oder?»
    «Doch. Es gibt sicher Menschen, die nicht darauf gekommen wären und den Namen Wasteland einfach für eine launige Erfindung des Besitzers gehalten hätten.»
    «Vielleicht.» Er löste das Siegel und öffnete die Tür.
    Laura mochte Altlanders Arbeitszimmer auf Anhieb, seine Großzügigkeit, die warmen Farben, die Bücherwand, die großen Bodenfliesen, die Balken an der Decke, den riesigen Schreibtisch. Schnell ging sie bis zur Mitte des Raums, drehte sich dann langsam um sich selbst.
    «Hat er Musik gehört?», fragte sie, als sie sich zweimal gedreht hatte.
    «Ich nehme es an. Jedenfalls steht hier ein CD-Gerät.»
    «Und was für CDs besaß er?»
    Guerrini ließ seinen Blick über die ordentlich aufgereihte Sammlung wandern, die einen Teil des Bücherregals

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