Wolfstraeume Roman
und dachte: Ach, zum Teufel mit meinen Vorsätzen! Zumindest hüpft er nicht von einem Bett ins andere – so wie Hunter.
30
Der Satz »Ich habe gut geschlafen« mag für viele ziemlich selbstverständlich klingen, für mich aber bedeutete er ein seltenes und deshalb umso größeres Vergnügen. Ich weiß nicht, ob es an der emotionalen oder der körperlichen Erschöpfung oder auch an dem unbekannten Gefühl der Geborgenheit lag, das ich in Reds Gegenwart verspürte. Jedenfalls schlief ich in seinen Armen viel besser, als ich das jemals bei meinem Mann getan hatte.
Zusammengerollt wachte ich auf. Meine verbundenen Hände hielt ich vor mir gekreuzt, das Kleid war um meine Taille geknüllt, und Red schmiegte sich an meinen Rücken. Ich habe irgendwo gelesen, dass die glücklichsten Paare in dieser Position schlafen. Es war ein Artikel mit dem vielsagenden Titel >Schlafpositionen und was sie über die Liebe sagen<. Hunter und ich schliefen immer weit voneinander entfernt oder ich schmiegte mich an seinen Rücken, weil er behauptete, wegen seiner gebrochenen Nase nicht auf der linken Seite und damit mir zugewandt schlafen zu können.
Red hielt mich locker fest, wobei seine Hand auf meinem Bauch ruhte.
»Red?«
»Mm.« Schläfrig drückte er seine Erektion gegen meinen
Po, und ohne nachzudenken, erwiderte ich für einen Moment den sanften Druck. Dann seufzte er und wachte auf, auch wenn er weiterhin so tat, als würde er noch schlafen.
»Red? Ich muss ganz dringend auf die Toilette«, flüsterte ich.
»Was? Oh. Okay.« Er richtete sich auf. Mit seinen zerzausten Haaren, die in alle Richtungen abstanden, wirkte er beinahe wie ein Junge. Er trug dunkelrote Boxershorts. Offenbar hatte er seit unserer ersten Begegnung in der U-Bahn gute fünf bis sieben Kilo zugenommen, die sich allerdings in Form von Muskeln um seine Schultern und seine Brust gelegt hatten und so recht eindrucksvoll aussahen.
Ein wenig befangen ging ich ins Badezimmer meiner Mutter, wo ich mich mit dem Problem konfrontiert sah, meine Hände nicht benutzen zu können, um das knöchellange Kleid hochzuziehen. Ich stand eine ganze Weile ratlos da, bis Red leise an die Tür klopfte.
»Brauchst du Hilfe?«
»Nein!«
»Sicher?«
»Verdammt, ich habe keine Ahnung, wie ich das machen soll.«
Er öffnete die Tür. Zu meiner Belustigung glühten seine Wangen feuerrot. »Ich... äh... ich könnte den Rock für dich hochheben.«
Jetzt war es an mir, rot zu werden. »Ich kann nicht mal Toilettenpapier benutzen. Tut mir leid, Red. Aber in deiner Gegenwart geht das nicht. Ich brauche eine Krankenschwester. Ich müsste eigentlich sowieso im Krankenhaus sein. Wie soll ich mit diesen Händen zurechtkommen?«
»Ich bin ausgebildeter Sanitäter.«
»Wirklich?«
»Ich habe nur die toten Kinder nicht mehr ertragen. Jeden Juli sind mindestens zehn Kinder in den Seen und Flüssen ertrunken. Da habe ich dann irgendwann aufgehört. Aber ich bin noch immer Sanitäter. Du musst dich nicht vor mir schämen. Das ist alles rein professionell.«
Wir brachen beide in hysterisches Gelächter aus, das zu lang dauerte und zu laut war. Aber wenn man dringend auf die Toilette muss, dann ist es einem irgendwann egal, wie man das macht.
»Bitte, hilf mir aus dem Kleid.«
Das tat er, wobei er es vermied, meine nackten Brüste zu betrachten. Bei diesem Kleid gab es nämlich keinen Platz für einen BH. Mir blieb gerade noch eine Sekunde Zeit, um mich daran zu erinnern, dass ich einen ausgeleierten Baumwollslip trug, ehe Red mich ansah. »Noch etwas?«
Meine Wangen brannten. »Schau weg.«
Red kniete sich hin und half mir aus dem Höschen, ohne mich anzusehen. Stattdessen richtete er den Blick auf das Höschen.
»Jetzt geh bitte!«
Red zog eine Augenbraue hoch. »Und was... äh... was soll ich damit?« Er hielt meine Unterhose hoch, die in seiner Hand auf einmal erstaunlich klein aussah.
»Lass sie!«
Er schloss die Tür hinter sich, und nach einem Augenblick entspannte sich meine Blase. Ich schüttelte mich trocken, betätigte mit dem rechten Fuß die Wasserspülung und schaffte es sogar trotz meiner bandagierten Hände, mich in ein flauschiges violettes Badetuch zu wickeln. Dann setzte
ich mich so damenhaft wie möglich auf den geschlossenen Toilettensitz und rief schließlich Red wieder herein.
»Red? Könntest du... könntest du mir vielleicht ein Bad einlassen?«
»Klar.«
Er trat ein. Noch immer trug er nichts anderes als seine Boxershorts. Seine Miene wirkte wie
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