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Wolfstraeume Roman

Wolfstraeume Roman

Titel: Wolfstraeume Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alisa Sheckley
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in Pleasantvale. Das ist wesentlich gefährlicher als alles, was einem hier passieren kann.«
    Die Frau lächelte. Auf einem ihrer Schneidezähne war ein Fleckchen korallenroter Lippenstift zu sehen. »Ich bin mir sicher, dass sich Ihre Mutter über Ihren Besuch freuen wird. Ich besuche heute meine jüngere Tochter, um mal wieder meine Enkelkinder zu sehen.« Sie holte einen Stapel Fotos aus ihrer Handtasche. »Hier, schauen Sie. Das ist die Dreijährige in einem Kleidchen, das ich ihr zum letzten Osterfest gekauft habe. Sie hat süße Grübchen, nicht wahr? Genau wie meine Tochter früher. Und das ist die Fünfjährige. Sie ist mehr nach ihrem Vater geraten. Dasselbe schwer zu bändigende italienische Haar, wissen Sie.«
    Der Zug fuhr ein und rettete mich davor, mir die ganze Familiengeschichte anhören zu müssen. Ich setzte mich in die hinterste Ecke des Abteils, um so weit wie möglich von der redefreudigen Frau in ihrem teuren Regenmantel entfernt zu sein. Es wäre sinnlos gewesen, ihr zu erklären, dass sich meine Mutter über meinen Besuch vermutlich nicht besonders freuen würde. Meine Mutter war nicht so wie andere Mütter. Sie zog Katzen und Hunde irgendwelchen
Enkelkindern mit Grübchen vor, und was mich betraf, so hatte ich ihrer Meinung nach sowieso die schlechten Gene meines Vaters geerbt.
    Wenn ich der Frau allerdings den Namen meiner Mutter genannt hätte, wäre sie wahrscheinlich vor Aufregung ganz aus dem Häuschen geraten. Meine Mutter hatte als Piper LeFever zwischen 1974 und 1979 (meinem Geburtsjahr) in sechs Filmen mitgespielt und besaß damals eine gewisse Popularität. Sie trat in Vorsicht vor der Katze! auf (als jüngste von drei sexy Hexen, die ein Dorf im mittelalterlichen England terrorisieren) sowie in Die Harpyie (wo sie den Leckerbissen für einen riesigen Aasgeier spielte). Danach beeindruckte sie zumindest einen Kritiker in Lukrezia Cyborgia (in dem sie einen schönen Alien in einem hautengen Raumanzug darstellte). Ihre erste Hauptrolle erhielt sie in Ägyptisches Blut (und zwar als unauffällige Bibliothekarin, die in Wirklichkeit die mächtige Priesterin der uralten Anubis-Sekte ist), gefolgt von Die Braut Satans und El Castillo de los Monstros, ihrem letzten Film.
    El Castillo de los Monstros war der große Durchbruch meines Vaters. Bereits im Alter von fünfundzwanzig Jahren bekam er die Gelegenheit, Domingo Santos als Regisseur zu ersetzen, nachdem dieser durch meine Mutter an den Rand eines Nervenzusammenbruchs gebracht worden war. Mein Vater, ein Spanier, wusste, wie man mit temperamentvollen Frauen umzugehen hatte. Er schwängerte meine Mutter kurzerhand und schloss den Film termingerecht ab.
    Ich erfuhr nie, warum meine Eltern die Westküste verließen oder wer von den beiden auf die Idee kam, ein riesiges Haus im spanischen Stil in Pleasantvale zu kaufen, eine halbe Stunde von Manhattan entfernt. Möglicherweise
gehörte diese Entscheidung zu einer der wenigen, die sie gemeinsam und ohne Streit fällten. Jedenfalls war es ein seltsamer Ort für ein Kind. Ich wuchs in einer luxuriösen Villa im Stil von El Grecos Haus in Südspanien auf. Sie lag in einem Vorort, in dem sonst nur Arbeiter wohnten. Die Villa war bereits in den zwanziger Jahren errichtet worden, während die Nachbarhäuser erst später hinzukamen. Irgendwie erinnerten sie mich immer an den Dornenwald, der um Dornröschens Schloss wucherte.
    Zuerst gab es genügend Platz für ein Kind, zwei Eheleute auf Dauerkriegsfuß, eine Ritterrüstung im Speisezimmer, zwei Wolfshunde und ein Rudel streunender Katzen – von dem römischen Brunnen im Innenhof ganz zu schweigen. Doch dann kam Dads Karriere Mitte der achtziger Jahre mit der Fernsehserie Ich heiratete einen Werwolf zu einem abrupten Ende, und die Situation in unserem Haus wurde unerträglich. Vielleicht war ein Teil der angespannten Situation auch auf die Tatsache zurückzuführen, dass es in Dads Serie um einen Ehemann ging, der unter dem Pantoffel seiner Frau stand, einer launischen Werwölfin. Die Kritiker nannten das Ganze eine frauenfeindliche Variante von Verliebt in eine Hexe, was meine Mutter in ihrer Wut auf meinen Vater nur bestätigte.
    Sie war zu diesem Zeitpunkt bereits die stolze Besitzerin von sechs Katzen, zwei Hunden und einem Frettchen und beschloss nun, unser Haus in ein Heim für ungewollte und ausgesetzte Tiere zu verwandeln und es Beast Castle zu nennen. Wie Brigitte Bardot erklärte auch Piper LeFever gerne, dass sie ihre frühen Jahre an

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