Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wolfstraeume Roman

Wolfstraeume Roman

Titel: Wolfstraeume Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alisa Sheckley
Vom Netzwerk:
die Männer verschwendet hatte, ihre reifen Jahre jedoch dem selbstlosen Kampf für Tiere hingab.

    Mein Vater hingegen betonte immer wieder, dass er seine frühen Jahre Piper LeFever hingegeben hätte, was dem Leben mit einem unberechenbaren Monster gleichgekommen wäre.
    Als der Zug in Pleasantvale einfuhr, stand ich auf, lächelte der redefreudigen Dame zu und stieg aus. Während ich den mir vertrauten Weg durch den Vorort nahm, hatte ich das Gefühl, wieder in meine Kindheit und Jugend zurückkatapultiert zu werden. Man brauchte zehn Minuten bis zum Haus meiner Mutter – fünf, um den Ortskern mit seinen Geschäften zu durchqueren und weitere fünf, um die heruntergekommenen Häuser hinter sich zu lassen, die an unser Grundstück angrenzten. Ich ging an der Pizzeria, der Reinigung und dem Feinkostladen vorbei, dann an zwei eingezäunten leeren Grundstücken und der Schreibwarenhandlung, in der man Lottoscheine kaufen konnte. Jeder Schritt schien ein Jahr meines Lebens von mir zu nehmen. In Gedanken wurde ich wieder neunundzwanzig... achtundzwanzig... vorbei am vernünftigen Alter von fünfundzwanzig, als ich endlich problemlos ein Autos hatte mieten können... vorbei an einundzwanzig und dem Recht, Weißwein in einem Lokal bestellen zu dürfen... vorbei an dem Alter, als ich wählen, legal Sex haben und eine Zigarette rauchen durfte...
    Inzwischen lag nur noch ein schmaler Weg vor mir. Hier wucherte bereits Gras neben dem Bürgersteig. Noch immer gab es dieselben alten Ahornbäume und Fichten, und noch immer lagen Glasscherben und leere Bierdosen auf dem Boden. Ich war jetzt etwa fünfzehn oder sechzehn Jahre alt, unsicher und rebellisch. Endlich stand ich vor dem schwarzen Eisentor von Beast Castle.

9
    Ich klingelte an der Tür. Eine junge Frau öffnete. In ihrem Arm hielt sie einen zitternden Chihuahua. Sie hatte lange blonde Haare und wirkte in ihrem indischen Batikrock auffallend dünn und ernst.
    »Ja, bitte?«
    »Ich möchte Piper LeFever besuchen.«
    »Sie ist beschäftigt. Wenn Sie ein Tier abzugeben haben, um das Sie sich nicht mehr kümmern wollen, können Sie es auch mir geben.« Ihr Tonfall klang verächtlich. Sie muss bei den Kunden gut ankommen, dachte ich. Würde irgend -jemand dieser Frau ein Tier geben?
    »Sie ist meine Mutter.« Ich versuchte es auf die nette Weise. »Möchten Sie vielleicht, dass ich mir den Hund ansehe? Ich bin Tierärztin, wissen Sie.« Eine durchsichtige Flüssigkeit floss aus der Nase des kleinen Tiers.
    Die junge Frau trat einen Schritt zur Seite. »Ach, du bist Abra«, sagte sie. Offenbar hatte sie sich unter der Tochter von Piper jemand Eindrucksvolleren vorgestellt. Sie drückte den kleinen Hund fester an ihre Brust. »Ich bin Grania, und dieser kleine Bursche heißt Pimpernell. Er ist erkältet. Ja, das bist du, du süßes kleines Schnuffelchen.«
    Ich trat ein. Der vertraute Geruch nach Katzenurin stieg
mir in die Nase. Die Stühle im Haus waren zerfetzt und zerkratzt. Jemand hatte um ein Bein einer französischen Spiegelkommode eine dicke Schnur gewickelt, was die Katzen jedoch nicht dazu anzuregen schien, es als Kratzbaum zu nutzen. Ich zog meinen Sweater aus und blickte zum Oberlicht hinauf, das voll von Vogelkot war. »Mein Gott, was für ein Chaos hier wieder mal herrscht.«
    Grania blickte mich empört an.
    »Unsere Gelder reichen kaum für die Haltung und Verpflegung unserer Tiere«, erklärte sie in einem scharfen Tonfall. Ich hielt die Hand hoch, um sie am Weiterreden zu hindern.
    »Ich will dich nicht kritisieren. Dieses Haus ist riesig, und meine Mutter ist schon immer eine Chaotin gewesen«, sagte ich. »In meiner Kindheit hatten wir eine richtige Putzkolonne, die sie davon abhalten sollte, das Haus in eine komplette Müllhalde zu verwandeln... Kann ich mir den kleinen Kerl mal genauer ansehen?« Ich streckte die Hand aus, um Pimpernell zu streicheln.
    »Er ist nur erkältet«, meinte Grania.
    »Wahrscheinlich hast du Recht. Aber manchmal wird bei Tieren mit einer großen Stirn die Nase zu einer Art Leitung für das Gehirn.«
    Das blonde Mädchen starrte mich entsetzt an. »Wie meinst du das?«
    »Aus dem Gehirn läuft Flüssigkeit ab. Verhält er sich nervlich irgendwie auffällig? Du weißt schon, was ich meine. Verhält er sich anders als sonst?«
    Grania betrachtete das zitternde Tier in ihren Armen. Stirnrunzelnd dachte sie darüber nach, was für einen drei Pfund schweren Hund wohl ein normales Verhalten sein
mochte. »Ich bin mir nicht sicher.

Weitere Kostenlose Bücher