Wolfstraeume Roman
Grania gegenüber eine bessere Mutter, als du es für mich warst. Ich bin jedenfalls froh, mich endlich aus deinen Klauen befreit zu haben!«
Ich brauchte zwei Stunden, um nach Hause zu kommen. Als ich unsere Wohnung betrat, lag Hunter auf dem Sofa und rauchte eine Zigarette. Über seinem Kopf hing eine dunkle
Rauchwolke. »Wie geht es deiner Mutter?« Er trug noch immer seine Jeans vom Vortag und war unrasiert. Eine Tasse mit kaltem Kaffee stand auf dem Couchtisch. Auf einigen Papieren zeigten sich braune Kaffeeflecken, und auf dem Holzboden war eine kleine braune Pfütze zu sehen. Offensichtlich hatte er den Kaffee ausgeschüttet, sich aber nicht die Mühe gemacht, ihn wegzuwischen.
»Gut.« Ich konzentrierte mich auf das Ausziehen meines Sweaters, um Hunter nicht ansehen zu müssen. Nach einer großen Auseinandersetzung wusste ich nie, wie ich mich verhalten sollte. Hochmütig und unnahbar? Oder eher versöhnlich? Vermutlich wirkte ich durch meine seltsame Unentschlossenheit etwas gouvernantenhaft.
»Hast du sie um Rat gebeten?« Hunter drehte sich um, so dass er das Kinn auf der Armlehne abstützen und mich ansehen konnte.
»Nein.«
Ich unterdrückte mein Bedürfnis, ihn anzusehen und beschäftigte mich stattdessen mit den Riemen meines alten Rucksacks, den ich benutzte, seitdem mir die Handtasche gestohlen worden war.
»Hat sie dir trotzdem einen gegeben?«
»Natürlich.«
Hunter ließ mich nicht aus den Augen. »Dir ist klar, dass ich keine Ahnung hatte, dass du dich heute krankgemeldet hast, bis ein Typ namens Opfer hier anrief und dich sprechen wollte?«
»Er heißt Ofer. O Gott, du hast ihm doch hoffentlich nicht gesagt, dass ich nicht da bin – oder?«
»Nein. Ich habe behauptet, dass du schliefest und nicht gestört werden willst.«
»Gut. Danke.«
Meine Hand lag bereits auf dem Türknauf des Schlafzimmers. Ich wollte ein Bad nehmen und dann ins Bett gehen, auch wenn es gerade erst achtzehn Uhr war.
»Gerne.«
Ich betrat das Schlafzimmer und legte meinen Rucksack und eine Papiertüte mit dem Geburtstagsgeschenk meiner Mutter auf die Kommode. Auf dem Spitzendeckchen, auf dem meine Parfümflakons aufgereiht waren, lag eine Handtasche. Sie war aus weichem, teurem Leder und hatte eine derart dezent elegante Form, dass sie jemandem gehören musste, der Seidenstrümpfe und keine Jeans oder Khakihosen trug. Misstrauisch klappte ich sie auf. In ihrem Inneren steckte eine Lederbörse, die ähnlich luxuriös wirkte. Ich spürte, wie ein wahnsinniger Zorn in mir aufstieg, gemischt mit Angst.
»Hunter.« Ich kehrte mit der Handtasche, die ich wie eine Bombe von mir weghielt, ins Wohnzimmer zurück. »Das hier habe ich im Schlafzimmer gefunden.«
»Wirklich?« Er hatte sich wieder auf den Rücken gedreht und las in einem Buch über Wölfe im Mittelalter.
»Ja, wirklich. Willst du mir sagen, wem diese Tasche gehört?«
»Warum schaust du nicht hinein? Dann wirst du es herausfinden.«
Ich holte das Portemonnaie aus der Tasche und klappte es auf. Darin steckte ein Führerschein – ausgestellt auf Abra Barrow!
Hunter hatte sich die Mühe gemacht, auch meine gestohlenen Kredit- und sonstige Karten durch neue ersetzen zu lassen. Mir kamen zum unzähligsten Mal an diesem Tag die
Tränen. Ich hielt die Geldbörse an meine Nase und sog den wunderbaren Duft von neuem und teurem Leder ein. Dann entdeckte ich den Designernamen an der Handtasche. Die Sachen mussten ein kleines Vermögen gekostet haben. Das war mehr als eine kleine Geste. Das war ein Zeichen von großer Zuneigung, das mindestens einen Verlobungsring wert war.
In diesem Augenblick, als sich ein solch unerwarteter Hoffnungsschimmer am Horizont zeigte, wusste ich, dass ich alles dafür tun würde, um meine Ehe mit Hunter zu retten.
»Ich hätte nur eine Frage, Hunter.«
»Ja?«
»Schläfst du eigentlich mit der Besitzerin dieser Handtasche?«
Hunter legte endlich das Buch beiseite und lächelte. »Nun, wenn du es unbedingt wissen willst«, sagte er und streckte die Hand nach mir aus. »Ja, das tue ich.«
10
Im Grunde ging kein Angestellter des Instituts freiwillig zum Essen in die Kantine des Hauses. Dort herrschte eine so düstere Atmosphäre wie im Keller, das Essen war fettig und meist halbkalt, und die langen, abgeblätterten Picknicktische wirkten eher so, als ob sie für das Sezieren von Kadavern und nicht für eine Mahlzeit aufgestellt worden wären. Aber da man als Assistenzarzt gefühlte neunzig Stunden die Woche arbeitete,
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