Wolfstraeume Roman
Hunde begegnet waren, die einander nicht riechen konnten.
»Und? Was machen Sie hier in Northside?« Red schob den linken Daumen in seine Gürtelschlaufe. Er blickte zwar Hunter an, aber ich hatte den Eindruck, dass er eigentlich mit mir sprechen wollte.
»Wir sind gerade erst hergezogen und leben jetzt in Hunters früherem Elternhaus«, antwortete ich.
»Tatsächlich? Und wo steht das, wenn man fragen darf?«
»Das alte Gebäude, etwas von der Skunk’s Misery Road entfernt.««
»Wirklich?« Red schüttelte den Kopf wie ein Cowboy.
Wenn er einen Hut aufgehabt hätte, hätte er ihn vermutlich zurückgeschoben. »Wirklich eine kleine Welt. Dann sind wir ja quasi Nachbarn.«
Kayla traf mit Hunters Essen ein und servierte es ihm mit entgegengereckten Brüsten. Der Bacon-Cheeseburger troff vor Blut, genauso wie Hunter ihn bestellt hatte.
»Ketchup?««
»Nein, danke. Das übertönt nur den Geschmack.« Mein Mann lächelte die Kellnerin strahlend an, und sie erwiderte sein Lächeln.
»Ihr Gemüseburger kommt gleich«, versicherte sie mir. Ich fragte nicht nach, warum ein Gemüseburger länger dauerte als ein Fleischburger. Natürlich war Hunters Fleisch fast roh, aber trotzdem...
Red legte eine Hand auf die Schulter seiner Begleiterin. »Komm, Jackie«, sagte er. »Wir sollten die guten Leute allein lassen, damit sie in Ruhe essen können.«
»Einen Moment noch. Erwähnten Sie nicht gerade, dass wir Nachbarn seien?« Hunter klang gelassen, aber seine Augen waren deutlich schmäler geworden. »Soweit ich weiß, gibt es in unserer Nähe aber gar keine anderen Häuser.«
Jackie räusperte sich. Ihre Augen schossen unruhig zwischen den beiden Männern hin und her. »Red hat im Wald in der Nähe Ihres Grundstücks ein kleines Haus gebaut. Er war den ganzen Sommer über damit beschäftigt.««
»Sie bauen Ihr eigenes Haus?« Irgendwie leuchtete mir das ein. Red sah wie ein Mann aus, der vielleicht nicht wissen mochte, was man unter dem Bundesgerichtshof verstand oder wer Bildnis einer Dame geschrieben hatte, der aber jederzeit ein ganzes Haus bauen konnte – samt Elektrizität und Abwasserkanälen.
»Es ist eigentlich eher eine Art Blockhütte.«
Kayla brachte mir mein Essen. Der Gemüseburger war eiskalt. Sie fragte Hunter, wie ihm sein Burger schmecke, und er streckte beide Daumen nach oben.
Dann wandte er sich wieder Red zu. Jetzt wirkte er nicht einmal mehr gespielt freundlich. »Und wo genau befindet sich Ihr Land, wenn ich fragen darf?«
Red zeichnete mit dem Finger eine Landkarte in die Luft. »Hier sind Sie, und hier ist der Old Scolder Mountain. Nördlich davon hinter Ihrem Schuppen...«
»Da ist kein Schuppen.«
»Doch, da ist einer. Er ist inzwischen nur ziemlich eingewachsen. Sie laufen den Hügel nach Norden hoch und gleich hinter dem Stacheldrahtzaun, da kann man Ihren Schuppen sehen. Allerdings ist er recht verfallen. Jedenfalls gehen Sie den Hügel hinauf...«
»Im Wald?«
»Ja. Sie können entweder laufen oder mit einem Vierradantrieb hochfahren. Ich habe bis hierher die Straße geräumt.« Red wedelte mit dem Finger in der Luft herum und machte dann mit dem Zeige- und dem Mittelfinger kleine Schrittbewegungen. »Von dort aus laufen Sie etwa einen Kilometer bis zu meiner Blockhütte.«
Hunter schob den Teller weg und lehnte sich auf dem Hocker zurück. »Ich dachte immer, das würde noch zu unserem Land gehören. Der ganze Weg bis zur Murdock-Farm drüben bei Oak Ridge.«
»Na ja, als der alte Murdock vergangenen Winter starb, haben mir seine Kinder ein Stück Land verkauft. Ich zeichne es Ihnen hier auf die Serviette auf. Haben Sie vielleicht einen Stift?«
»Sie haben nicht zufällig eine Übersichtskarte, wo man das genau sehen kann?«
Ich legte meinem Mann eine Hand auf die Schulter. »Hunter...«, versuchte ich zu vermitteln.
»Ich bin nur neugierig. Ich dachte bisher immer, dass es in dieser Gegend eine Zoneneinteilung von etwas über einem Hektar gibt.«
Red blickte von seiner Serviette auf. »Die gibt es auch – das stimmt.«
»Dann verstehe ich nicht, wo mein Land endet und Ihres anfangen soll.«
Ich lachte gequält. »Mein Gott, Hunter. Lass es gut sein. Wir sind doch gerade erst angekommen. Da muss man doch nicht so... so...«
»So heftig sein Gebiet verteidigen?« Er schenkte mir ein unfreundliches Lächeln. Ein Wir-haben-auch-noch-ein-Hühnchen -miteinander-zu-rupfen-Lächeln.
»Ihr Mann hat doch das Recht zu wissen, auf welcher Seite des Zauns er pinkeln darf.«
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