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Wolfswechsel - Aktionspreis für begrenzte Zeit (German Edition)

Wolfswechsel - Aktionspreis für begrenzte Zeit (German Edition)

Titel: Wolfswechsel - Aktionspreis für begrenzte Zeit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Gray
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Deutschland zu uns ins Elsass herüber gekommen. Wegen der Frauen, oder dem Wein, keine Ahnung. Jedenfalls haben sie fast jede Nacht in der Bar dieses Lied gespielt. Mal das deutsche, mal die englische Version von Marlene Dietrich. Ich war damals erst zwei oder drei. Ich glaube es war überhaupt das erste Lied, das ich gehört habe. Ich mag es immer noch. Komisch, oder? Sonst mag ich so was gar nicht. Aber das Lied mag ich schon.“
    Schweigen. Wajda starrte auf seine Füße.
    „ Welche Musik magst Du so?“ fragte Natalie.
    Wajdas Blick haftete immer noch, wie fest gebacken, auf seinen Schuhen.
    „ Ein bisschen von allem. Händel mag ich und Mozart. Aber Bach liebe ich glaube ich, wirklich.“
    Natalie sah ihn an. Er hob den Kopf.
    „ Bach?“
    Zunehmend ungläubiger sah Wajda Natalie an. Schien zu zögern, wandte den Blick ab. Sah sie wieder an und begann leise ein paar Takte eines Chorals zu summen. Eines der Mädchen starrte erstaunt zu ihnen herüber.
    „ Das kenne ich. Das haben sie zu Hause manchmal in der Kirche gesungen.“
    Wajda hörte ihrer Antwort kaum zu. Dieses Mal waren es nicht die Worte, die die Bilder weckten, sondern die Takte des Chorals.
    Vor seinen Augen erstand das Bild eines deutschen Stabsarztes, der in einem Lazarett am Ende der Welt zwei Pistolenkugeln in ein Radio jagte, bevor er sich gleich darauf seine Uniform voll kotzte. Es war nicht Bach, fiel ihm ein – Händel, damals lief Händel im Radio. Und es war in der Nacht vor Heilig Abend und das Händelstück ausgerechnet- Messias.

VII.
     
     
    „ Nebelland hab ich gesehen
    Nebelherz hab ich gegessen“
     
    Ingeborg Bachmann, 1956 „ Nebelland“
     
     
    Das Lazarett lag am Stadtrand. Inmitten einer von Schnee bedeckten Wiese. Nur Stümpfe zeugten von den Bäumen, die ihre Ränder irgendwann gesäumt hatten.
    Zwei Wachsoldaten vorm Eingang. Sie hatten ihre Karabiner neben sich an die Wand gelehnt und saßen auf wackeligen Stühlen.
    Einer von ihnen rauchte. Sein Kamerad blickte zu Boden. Links von ihnen zehn, zwölf in helle Tücher eingeschlagene Bündel. Gerastert von rötlich gelben Flecken. Zwei Männer in dünnen Jacken und Holzschuhen eben dabei, sie auf einen Leiterwagen zu laden.
    Auf dem Kutschbock des Leiterwagens zusammengesunken ein dritter Mann. Die Hände gegen die Kälte tief in die Taschen seines löchrigen Mantels vergraben.
    „ Was ist das?“, flüsterte Max und meinte die Leichen auf dem Wagen.
    „ Routine…“, antwortete ich ohne nachzudenken. Und bezeichnete den Vorgang.
    Im Blick des Jungen mehr Wut und Enttäuschung, als gesund sein konnte.
    Die Wachen waren ein eigenartiges Gespann. Einem fehlte eine Hand, der andere zog ein steifes Bein nach. Aber sie hatten ihre Karabiner und die Pistolen. Sie nahmen Haltung an, sobald ich vom Kutschbock kletterte. Ich grüßte nachlässig zurück. Genauso, wie ich es Niemburg ein paar tausend Mal im Lager habe tun sehen.
    Ein langer düsterer Gang. Angefüllt mit eisernen Bettgestellen, auf denen Verwundete still dahin dämmerten. Schließlich ein Saal. An dem groben Putz noch zu sehen, dass man ihn aus zwei ursprünglich kleineren Räumen geschaffen hatte.
    Abgesehen von zwei schmalen Gängen auch hier jeder Fleck belegt von Lagern, auf denen stumpf brütende Männer lagen. Einige hatte man auch unter schmutzigen Decken auf Matratzen direkt auf den Boden gelegt. Blicke, wie in Stein gemeißelt aus Augen jenseits von Vernunft. Stimmen, die ab und an leise nach Wasser verlangten. Lager um Lager, Männer in Scheiße, Eiter, Durst und Blut.
    Glaub ihnen nicht, wenn sie die Dichter zitieren. Wahrheit und Tod wohnen nicht hinter Rosen, wie es in dem Vers heißt. Aber die meisten Dichter lügen, dafür werden sie schließlich bezahlt. Je mehr sie verdienen, umso überzeugender ihre Lügen.
    Wie im Flur so auch hier ein mit Holzscheiten beheizter Kanonenofen, der für drückende Hitze sorgte. Die sich zusammen mit dem Rauch, der aus dem undichten Ofenrohr entwich, wie ein Nebelschild über den Saal gelegt hatte. Boden und Wände des Saals von einem feuchten Schimmer überzogen. Ein einziges der vielen Fenster war um einen Spalt breit geöffnet. Das Glas der anderen zerbrochen und die Löcher verstopft von Lumpen. Überwältigt vom Gestank nach Ausfluss, Schmerz, Schweiß und klammem Zeug, der mir hier furchtbarer denn je entgegen schlug, verlor ich einen Moment die Kontrolle über mein Gleichgewicht. Dies war das Gegenstück zur Hölle, deren Gedärmen ich auf jenem

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