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Wolfswechsel - Aktionspreis für begrenzte Zeit (German Edition)

Wolfswechsel - Aktionspreis für begrenzte Zeit (German Edition)

Titel: Wolfswechsel - Aktionspreis für begrenzte Zeit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Gray
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polnischen Feld entkommen war. Und für einen Moment schien ich aus der Zeit gefallen. Schien meine Flucht und die Zeit auf Catherinas Gut nur noch ein Traum. Flüchtig und belabernd.
    Kraftlos stolperte ich den schmalen Gang hinab und wäre zweifellos gefallen, hätte meine ausgestreckte Hand nicht im letzten Moment die rettende Wand erreicht.
    Dann die Berührung einer trockenen heißen Hand, begleitet von einer mit halberstickter Stimme hervorgestoßenen Bitte um Wasser. Ich schlug die Augen wieder auf. Neben mir auf seinem Lager aus feuchten Decken ein Verwundeter. Das Gesicht fast vollständig hinter durchbluteten Mullbinden verborgen. Er wiederholte seine Bitte wie ein Mönch das Mantra seines Gottes.
    Angeekelt schüttelte ich seine Hand ab. Das Leben ist seltsam. Und manchmal fällt es einem schwer, wirklich an bloße Zufälle zu glauben.
    „ Herrgott, scheiße – wo kommen Sie denn her?“ 
    Vor mir im Dunst tauchte die hagere Gestalt von Professor Adolf Berg auf.  
    „ Dr. Bronstein – sind das wirklich Sie?“, flüsterte er, sobald er nah genug zu mir herangekommen war, um sicher sein zu können, dass ihn, abgesehen von dem fiebernden Verwundeten neben mir keiner hören konnte. 1932 bis 34 hatte ich ihm in seinem OP–Saal an der Berliner Charité assistiert.

PARIS / 1969
     
    „ Mann, das stimmt. Manchmal kann man wirklich kaum an Zufälle glauben. Da stehst du also am Arsch der Welt in einem Lazarett und ausgerechnet dein ehemaliger Professor kommt Dir entgegen…“ 
    „ Nicht nur das. Er war noch dazu ein Nazi. Als ich mich bei ihm vorstellte, hätte er mich fast wieder rausgeworfen, weil er erfahren hatte, dass ich Jude war. Aber so schnell trieb auch er keinen zweiten Assistenten auf. Und meine Zeugnisse waren wirklich gut. Also hat er es widerwillig mit mir versucht. Und ich gab nicht auf. Ich hatte einen Traum. Ich wollte zwei Jahre bei Berg assistieren, um dann mit seiner Empfehlung nach Boston ins Bent Hospital zu wechseln. Wo die besten Neurologen der Welt arbeiteten. Damals wie heute war es so, dass junge Ärzte wie Handwerksburschen von Meister zu Meister zogen, um von ihnen in ihren OP-Sälen zu lernen. Es wurde nichts daraus. Statt in Boston landete ich in Paris…“
    „ Wieso bist Du nicht trotzdem nach Boston gegangen?“
    Er zuckte die Achseln. Starrte eine Weile nachdenklich auf die Wand hinter dem Käfigdraht.
    „ Wegen der Rassengesetzte verlor ich meine Stelle, ohne meine Assistenzzeit beendet zu haben. Berg stellte mir zwar ein gutes Zeugnis aus. Aber ich hatte kaum Geld und eine kranke Frau. Ich habe sie im jüdischen Krankenhaus in der Lothringer Straße drei Mal nacheinander aufgeschnitten. Obwohl es medizinisch gesehen völlig sinnlos war, weil der Krebs in ihr schneller wucherte, als ich ihn mit meinem Messer raus schneiden konnte. Ich war verliebt. Ich war jung. Ich dachte das Wunder, das ich brauchte stünde mir einfach zu. Als es vorbei war, hatten die Amerikaner längst ihre Grenzen dicht gemacht. Sicher – andere sind durchgekommen. Aber ich hatte keine Beziehungen, kaum Freunde und keine Verwandte, die mir zu einem Visum oder wenigstens einer Empfehlung verhelfen konnten. Mir blieb nur Paris – und damit die Lager.“

Berg war 1944 nicht mehr derselbe wie 1932. Seine Augen waren stumpf, und die Uniform unter dem dreckigen Kittel zerknittert. Obwohl er es zu verbergen suchte, entging mir nicht, dass seine Hände leise zitterten.
      Er half mir auf. Redete auf mich ein.
    „ Sehen Sie sich ruhig um, Bronstein“, flüsterte er. “Sie bringen sie auf Lastwagen übereinander gestapelt von der Front hierher. Ein Drittel von ihnen krepiert schon auf der Ladefläche. Selbst die, die es lebend bis hierher schaffen, sind kaum besser dran. Wenn sie Glück haben, lohnt es sich zwar sie aufzuschneiden, aber ohne Anästhesie und ausreichende Desinfektion krepiert mir auch von denen mehr als die Hälfte an Embolien, Lungenentzündungen oder Sepsis.“
    „ Weiss, Berg – mein Name ist JAKOB WEISS!“  
    Ein bisschen von der alten Arroganz kehrte zurück. Er meinte Weiss, oder Bronstein – das spiele in diesem Stall schon lange keine Rolle mehr.
    Ich wusste, dass er log. So gerne ich ihm auch geglaubt hätte.
    „ Ich habe mich vor ungefähr zwölf Stunden mit Rabies infiziert, Berg. Ich brauche Serum…“
    Berg zog sich zum Schlafen in eine winzige Kammer zurück. Die außer einem Metallschrank, einem Waschbecken, zwei Stühlen, einem Tisch und einem

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