Wolken über der Wüste
die beiden Entführer.
„Auf einer Insel.“
„Ich weiß, aber auf welcher?“
„Jameel.“
Genau das hatte sie befürchtet.
Der Mann lehnte sich zurück und warf ihr einen anerkennenden Blick zu. Er grinste. Seine Zähne sahen aus, als seien sie in den letzten zehn Jahren nie mit einer Zahnbürste in Berührung gekommen. Außerdem roch er nach Alkohol. „Sehr hübsch“, resümierte er nach eingehender Betrachtung.
Sie sah ihn kühl an. „Falls Sie für Philippe Sabon arbeiten, sollten Sie ihn sich nicht zum Feind machen. Das könnte gefährlich sein“, sagte sie auf gut Glück.
Getroffen. Der Mann wurde sofort ernst.
Der zweite Größere, der auch die Pistole auf Brianne gerichtet hielt, sagte etwas in scharfem Tonfall zu dem schmuddeligen Dicken, der sofort in sich zusammenzusacken schien.
„Du keine Angst“, sagte der Große, der schon graue Schläfen hatte. „Keiner dir was tun.“ Er starrte den Dicken durchbohrend an, der sich schnell abwandte und aus dem Fenster sah.
Brianne war ganz schlecht vor Angst. Ihre Bemerkung hatte dem Dicken nur deshalb zugesetzt, weil Sabon tatsächlich hinter der Entführung steckte. Bald würde sie ihm ausgeliefert sein, und Pierce konnte ihr auch nicht helfen. Vier bewaffneten Männern gegenüber war er machtlos. Die Insel war wie ein Gefängnis, und an Flucht war nicht zu denken. Sie konnte Sabon nicht entkommen.
Brianne schloss die Augen und versuchte, sich nicht von ihrem Entsetzen überwältigen zu lassen. Sie wusste genau, was über Philippes perverse Neigungen erzählt wurde. Wie sollte sie das ertragen? Schon die Vorstellung, er würde sie berühren, machte sie ganz krank! Wie Pierce ganz richtig erkannt hatte, hatte sie keine Erfahrung darin, sich zu verstellen. Das, was Sabon mit ihr machen würde, würde sie für immer als Frau zerstören.
Ob wohl irgendeiner von Sabons Leuten Pierce erkennen würde? Wenn ja, hatte er keine Chance. Sie würden ihn sofort umbringen, um den Mitwisser auszuschalten, oder Lösegeld für ihn verlangen und ihn dann töten. Ganz sicher würde Sabon nicht das Risiko eingehen, wegen einer Entführung in den Vereinigten Staaten vor Gericht gestellt zu werden. Pierce war zwar kein amerikanischer Staatsbürger, aber Brianne, und Sabon brauchte Kurts Freunde im Congress, um seine Ölpläne durchzusetzen.
Dabei kam ihr ein anderer entsetzlicher Gedanke.
Wenn Sabon fertig mit ihr war, sie satt hatte, konnte er es nicht wagen, sie freizulassen. Sie würde verschwinden müssen, würde wahrscheinlich irgendwo in den weiten Wüsten des Landes ausgesetzt werden, dem die Insel vorgelagert war.
Nein, sie konnte, sie durfte nicht so jämmerlich sterben! Sie musste ihren Verstand benutzen. Sicher gab es irgendeinen Ausweg, wenn sie nur wachsam war und die Augen offen hielt.
Sie würde sich Sabon nicht widerstandslos ausliefern. Der Sieg sollte ihn teuer zu stehen kommen. Vielleicht würde sie bei dem Versuch, sich zu befreien, umkommen, aber auch wenn sie sich Sabon unterwarf, würde sie sterben. Wie hatte ihr geliebter Vater immer gesagt? Lieber mit einem Knall abtreten als spurlos in Rauch aufgehen.
Es würde knallen, so oder so.
Pierce gingen ähnliche Gedanken durch den Kopf, allerdings war er weitaus pessimistischer. Hier, auf Sabons Grund und Boden, hatte er nicht die geringste Chance zu entkommen, und Brianne auch nicht. Er konnte sie nicht schützen. Er dachte daran, wie sehr sie ihn gebeten hatte, mit ihr zu schlafen. Warum hatte er sich bloß geweigert? Jetzt würde sie durch Sabon Sexualität auf eine Art und Weise kennen lernen, die später keine Therapie mehr ungeschehen machen könnte. Sabon würde sie erniedrigen und demütigen. Diese wunderbare Spontaneität, mit der sie an alles Sexuelle heranging, war dann für immer verloren. Und er, Pierce, würde darum trauern und genau wissen, dass er daran schuld war.
Er hatte noch kurz vor dem Abflug mit Winthrop gesprochen, und Winthrop würde bald am Flughafen in Freeport sein, um sie abzuholen. Der Gedanke beruhigte ihn etwas. Tate Winthrop war der beste Sicherheitsmann, den er je hatte. Er konnte die Spur eines Schmetterlings verfolgen. Er würde sie finden. Die Frage war nur, ob er rechtzeitig kam.
Die beiden alten Limousinen hielten vor einem imposanten Gebäude, das auf einem kleinen Hügel lag und von dem aus man einen weiten Blick aufs Meer hatte. Wahrscheinlich der Persische Golf, vermutete Brianne. Es gab große Sandflächen, und die Vegetation ähnelte der der
Weitere Kostenlose Bücher