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Wolkenfern (German Edition)

Wolkenfern (German Edition)

Titel: Wolkenfern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joanna Bator
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Schokoladencreme aus Bitterschokolade mit einem Hauch Kardamom und Chili. Schließlich gewann ein Franzose den Wettbewerb um das Dessert der Zukunft, Sebastian Chevalier, und gegen einen Franzosen zu verlieren ist nie peinlich, die haben diese Kunst ja schon im Blut, was hat Ivo nicht alles über Frankreich gelesen und ihre Kultur dort, Napoleon, Marie-Antoinette, die Kuchen statt Brot gefressen hat. Sogar das Guillotinieren dort hat Leichtigkeit, Stil und Anmut. Sebastian Chevalier! Was für ein Klang, Musik für die Ohren, nicht so wie Ivo Smith, dabei müsste es ja eigentlich sogar John heißen, so hatten ihn seine Eltern genannt, John IV Smith, aber dieses John IV Smith hatte Ivo nie ausstehen können, es war schlimm genug, John Smith zu heißen, aber dann auch noch der Vierte in einer Reihe? Er traktiert sich und seine Lieben im Calypso mit Erinnerungen an den Franzosen, der jenen Berliner Konditorenwettbewerb gewann, denn der hatte so gierig auf sein Dessert geblickt, gefragt, ob er Vanille aus Madagaskar oder aus Indien verwende, ahne er eine zarte Mandelnote, oder sei es etwa doch eine leise Kardamomnote? Ach, wenn er doch so ein Meister wäre wie der Franzose und eine eigene Konditorei hätte, deren Name schon seit Jahren für ihn feststeht: Le croissant du galant. Hab ich dir davon schon erzählt?, fragt Ivo, ja, sagt Dominika, das hast du, aber du kannst es ruhig noch mal erzählen, und sie genehmigt sich eine nach neuer Rezeptur hergestellte Trüffelkugel. Ivo bewundert die Franzosen sehr, die junge Französin Monique hat ihnen in einem Kurs in Paris die Kunst des Glasierens beigebracht, Dominika erinnert ihn ein wenig an sie, etwas um ihren Mund, etwas in der Farbe, nur dass diese Monique immer aussah wie vom Laufsteg. Zum Glasieren eignen sich am besten die Aprikosen aus Südfrankreich, da muss jedes Detail stimmen, Aprikose ist ja nicht gleich Aprikose. Ivo sprach mit Begeisterung von der Französin, die den Glasur-Kurs gegeben hatte, und wenn er in einem zukünftigen Leben als Frau geboren werden sollte, und dank des Buddhismus kann er ja daran glauben, also wenn als Frau, dann genau als so eine Monique aus Paris. Französinnen! Französinnen sind Ivos Ideal, und wenn seine heiße Liebe nicht ganz und gar der Konditorkunst gehörte, würde er sich vielleicht als Modeschöpfer betätigen, wozu er wahrscheinlich auch das Talent hätte, und zwar ein echtes. Ivo glaubt, wenn Gott etwas gegen seine sexuelle Orientierung hätte, hätte er ihn nicht so großzügig mit Talenten, Anmut, Friedlichkeit und der Fähigkeit, zwischen Menschen zu vermitteln, begabt. Gott, egal wie wir ihn nennen, sagt Ivo, also Gott ist kein übler Typ.
    Ivo und Dominika entdecken, dass sie außer Süßigkeiten noch eine Leidenschaft gemein haben, nämlich das Schwimmen. Jede freie Minute verbringen sie im Hallenbad von Gelnhausen. Nachdem sie Dutzende Bahnen geschwommen sind, aalen sie sich im Massagebad, bis ihre Haut faltig wird und ihre Augen vom Chlor tränen. Erzähl, sagt Dominika, erzähl, bis ich Hunger kriege. Erzähl mir von deiner Familie, alles und ganz genau. Ivos Zukunft ist süß und mit Zuckerguss glasiert, seine Vergangenheit wie aus einem Comic, und, wie sich zeigt, plätschert auch diese Geschichte nach anfänglichem Widerstand munter dahin. Ivo kommt aus der Kleinstadt Harrison, Harrison, Arkansas, sagt Ivo. Papa, Mama, zwei Schwestern und ich, John IV Smith. Weißes Haus, großer Garten. Ivos Vater, John III Smith besitzt in Harrison eine Firma namens Poseidon, die Badezimmereinrichtungen herstellt, er verdient prächtig, nicht anders als sein Vater John II Smith und der Vatersvater, John der Erste. Nur ich, sagt Ivo, ich bin aus der Art geschlagen, und anstatt in die Fußstapfen meines Vaters zu treten, bin ich vom Wege abgekommen. Harrison, Arkansas, wo mehrere Generationen von Smiths zur Welt gekommen sind, hat wenig mehr als zehntausend Einwohner, die fast alle weiß sind, Ivos Vater hatte immer betont, dass es ein guter Ort zum Leben und zur Erfüllung des amerikanischen Traums sei. In Harrison gibt es übrigens einen der größten Ku-Klux-Klan-Verbände, sagte Ivo. Ich wusste gar nicht, dass es noch Ku-Klux-Klan-Gruppen gibt, ich dachte, die sind ausgestorben wie die Saurier, bemerkt Dominika verwundert. Du musst nach Harrison kommen und meine Tante Mary kennenlernen, die die Umhänge näht, da wirst du dich überzeugen. Du hast sie gesehen? Mit eigenen Augen? Natürlich hab ich sie gesehen, meine Liebe.

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