Wolkenfern (German Edition)
ordnen.
In Kamieńsk hatte Antoni Mopsiński den Nachttopf Napoleons, den der große Herrscher auf seinem Rückzug aus Russland für seine Notdurft benutzt hatte, wie eine Reliquie gehütet. In dem Kamieńsker Herrenhaus stand der herrscherliche Nachttopf immer auf Hochglanz poliert in einem Schaukasten hinter Glas, und der Schlüssel des Vorhängeschlosses für den Schaukasten lag in einer verschlossenen Schatulle, die sich wiederum in einer abgesperrten Schreibtischschublade befand. Herr Mopsiński nahm ihn eigenhändig heraus und gab ihn dem Dienstmädchen, der blutjungen Marianna Gwóźdź, mit dem Befehl, nur ja vorsichtig zu sein und sich die Pfoten zu waschen, bevor sie den Topf in Empfang nahm. Wenn er wichtigen Besuch hatte, nahm er den Nachttopf aus dem Schaukasten und zeigte ihn herum, gestattete den Gästen sogar, ihn zu berühren, obwohl ihn ein Schauder überlief, wenn er sich vorstellte, jemand könnte ihn fallen lassen und das kostbare Familienerbstück könnte zu Schaden kommen. Das Herrenhaus in Kamieńsk samt Ländereien, Wald und Napoleonhütte hatte Antoni Mopsiński wenige Jahre vor dem Krieg von dem bankrotten Gutsherrn erworben, doch diese nebensächliche Einzelheit konnte die Macht seiner napoleonischen Träume und die Schönheit seiner Erinnerungen nicht beeinträchtigen. Als er hörte, dass der Gutsherr Eugeniusz Borowiecki aus Kamieńsk im Besitz dieses Nachttopfs war, fand er keinen Schlaf mehr, und seit er die Reliquie gesehen hatte, wusste er, dass das eine Fügung des Schicksals war: Auf ihn hatte dieser Nachttopf gewartet, und alles zusammen, einschließlich der Neigung des Gutsherrn zu fernen Reisen, Kartenspiel und Pferderennen, hatte sich zu einer Folge von Ereignissen ergeben, die dazu führten, dass Antoni Mopsiński, Fabrikant aus Łódź, mit dem Nachttopf Napoleons zusammentraf.
Antoni Mopsiński war immer schon von Napoleon fasziniert gewesen und hatte bereits als Junge alles gelesen, was sich in den Łódźer Bibliotheken zu diesem Thema fand. Der junge Napoleon mit wehendem Haar in der Epoche des Direktorats, der siegreiche Feldherr nach Austerlitz, der Weltherrscher vor den Pyramiden bei einer Ansprache, der würdige Kaiser auf Davids Gemälden. Der junge Antoni Mopsiński nahm vor dem Spiegel napoleonische Posen ein und reckte den Kopf, denn ähnlich wie der Kaiser der Franzosen war er von kümmerlichem Wuchs. Den einen Arm auf den Rücken, die Hand wie Napoleon auf den Bauch gelegt, sagte er: Soldaten, vergesst nicht, dass Euch von den Gipfeln dieser Pyramiden viertausend Jahre ansehen, oder: Vom Erhabenen zum Lächerlichen ist es nur ein Schritt. Der alte Mopsiński stand hinter der Tür und bedeutete seiner Frau mit Mienen und Händen, sie solle kommen und sich angucken, was ihr Sohn da fabriziere; vielleicht sollte man ihm Blutegel ansetzen oder mehr Lebertran geben, er als Vater jedenfalls fühle sich durch das, was er da sah, sehr beunruhigt. Nachdem der kleine Mopsiński ja keine Gelegenheit mehr hatte, unter Napoleon Gardeoffizier zu sein, träumte er davon, doch wenigstens Historiker zu werden, aber für den einzigen Sohn eines Łódźer Knopffabrikanten war eine andere Zukunft geplant, und der Vater erklärte dem Kind, wenn unbedingt nötig, könnte er abends Bücher lesen oder auch in der Sommerfrische, wenn er zur Kur fuhr. Von Büchern lebten nur die, die zu keiner vernünftigen Arbeit taugten, oder Kinder aus armen jüdischen Familien. Wie sich zeigte, hatte der von napoleonischen Phantasien umnebelte Antoni Mopsiński ein verblüffendes Talent für den Knopfhandel, denn alle Entscheidungen, die er traf, analysierte er aus dem Blickwinkel der Schlachtstrategien des großen Herrschers der Franzosen; er legte ganze Armeen aus Knöpfen auf dem Perserteppich aus, grübelte, rauchte und kam zu dem Schluss, dass es ratsam sei, größere Vorräte an Horn für Hornknöpfe und Perlmutt für Perlmuttknöpfe von dem armenischen Händler zu erwerben, den in der Stadt noch niemand kannte und der seine Waren zu Sonderpreisen abgab. Antoni Mopsiński hatte das Vermögen seines Vaters bald verdreifacht, ehelichte eine Frau namens Josephine, denn wie konnte er eine Kristina oder Genowefa wählen, wenn es eine echte Josephine gab, obwohl die ersteren beiden ansehnlichere Mitgiften, lebhafteres Temperament und größere Schönheit besaßen. Er kaufte das Herrenhaus in Kamieńsk, und dem Sohn, der ein Jahr nach der Hochzeit zur Welt kam, gab er den Namen Napoleon.
Der
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