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Wolkenfern (German Edition)

Wolkenfern (German Edition)

Titel: Wolkenfern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joanna Bator
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Gutsherr hatte Antoni Mopsiński alles verkauft, inklusive Ahnenporträts und Möbel, afrikanische Skulpturen und zwei Schrumpfköpfe von den Menschenfressern in Neuguinea, Porzellanservices und Familiensilber und diese hübsche Anekdote von Napoleon samt Nachttopf als Zugabe. Der Gutsherr Borowiecki war völlig pleite, denn seine gesamte Barschaft war auf die Abzahlung seiner Schulden gegangen, und da er vorhatte, seine Ehre durch Selbstmord zu retten, nötigte er Antoni Mopsiński als Entgelt für die Abtretung der Rechte an Napoleons Nachttopf eine Abmachung unter Ehrenmännern ab. Mopsiński sollte zwei Schwestern, die keine Angehörigen hatten, seine verwaisten Cousinen Róża und Aniela Rozpuch aus Tschenstochau nämlich, deren rechtmäßiger und missratener Vormund er, Eugeniusz Borowiecki, bislang gewesen war, bei sich in Kamieńsk aufnehmen, ihnen ein Dach über dem Kopf gewähren und im Falle einer Verheiratung mit einer kleinen Mitgift ausstatten. Sie würden ihm keine Schande machen, beide hatten einen Kurs in Hauswirtschaft absolviert, litten nicht an Schwindsucht, waren arbeitsam und kräftig.
    Eugeniusz Borowiecki verschwand aus Kamieńsk, und man hörte nie wieder von ihm. Dafür erschienen bald zwei Mädchen von schwer definierbarem Aussehen und Alter. Antoni Mopsiński begrüßte sie, als sei er von jeher Herr dieses Gutes gewesen, zeigte ihnen den Nachttopf Napoleons hinter der Glasscheibe, weil er die beiden jungen Damen einer unmittelbaren Präsentation dieses Stücks nicht für würdig erachtete, und danach schenkte niemand den beiden Schwestern mehr Beachtung, und niemand erfuhr jemals, wer von den beiden Aniela und wer Róża war. Mopsińskis Frau Josephine freute sich über die unerwartete Gesellschaft, denn sie hatte sich in Kamieńsk mit niemandem anfreunden können. Im Gegensatz zu ihrer Namensvetterin, der geliebten Frau des französischen Kaisers, war sie eine ruhige Person, dem Flirten abhold und ein wenig unbeholfen. Sie litt an einem nichtdiagnostizierten Gebärmuttervorfall, was lange Sitzbäder in Kräuteraufgüssen erforderlich machte, und oft verfiel sie in Apathie. Frau Mopsińskis liebster Zeitvertreib war das Stricken, das Trikotieren, wie sie es nannte, weil sie das für Französisch hielt, und ihr Gatte sowie ihr Sohn Napoleon, der zu Hause Napi genannt wurde, bekamen bei jeder Gelegenheit Wollwesten, Socken und Schals gestrickt. Dabei traf es sich selten so, dass das Kleidungsstück die richtige Größe oder die Ärmel die gleiche Länge hatten, und es kam auch vor, dass der Beschenkte den Kopf nicht durch die zu kleine Halsöffnung zwängen konnte und, dem Ersticken nah, wie eine verdatterte Vogelscheuche dastand. Frau Mopsiński betrachtete dann betrübt die neue Missgeburt ihrer Stricknadeln und versprach, es sofort in Ordnung zu bringen, aber dann vergaß sie, was sie in Ordnung bringen sollte und wie, und so fiel bald eine weitere misslungene Trikotage den Motten zum Opfer. Josephines Zerstreutheit führte jedoch nicht selten zu größeren häuslichen Katastrophen als dem Erstickungsanfall des Hausherrn oder seines Nachkommen in einem Pullover mit zu kleinem Halsausschnitt. Einmal ließ sie versehentlich den Deckel der Truhe mit der Strickwolle über dem Schoßhündchen zufallen, und erst als das Tier weitgehend verwest war, führte die breite Spur des entsetzlichen Gestanks das Dienstmädchen Marianna Gwóźdź zu dem Kadaver. Ein anderes Mal starrte sie beim Baden des kleinen Napoleon Löcher in die Luft, bis das Kind fast ertrank, und man musste den ganzen Jungen mit dem Kopf nach unten baumeln lassen, damit das Wasser herausfloss. Dabei gab es ein Riesengeschrei, weil das Kind in dieser unangenehmen Haltung die arme Marianna in die Wade biss. Wieder ein anderes Mal vergaß die trikotierende Josephine, dass sie zur Probe einen neuen, in Arbeit befindlichen Pullover für ihren Mann über ihre Unterwäsche gezogen hatte, und ging in den Garten, um Rosen zu schneiden, wobei sich das Strickwerk nach und nach aufribbelte. Sie wunderte sich, dass die vorbeikommenden Leute sie so anstarrten, bemerkte aber erst nach einiger Zeit, dass sie in langer Unterhose und Unterrock dastand und nur um den Hals noch den Rest von etwas grauem Wollenem trug.
    Josephine hatte gar nichts gegen die Verpflichtung, die beiden Mitbewohnerinnen bei sich aufzunehmen, ja sie freute sich sogar und hoffte, die Gesellschaft würde sie etwas in Schwung bringen. Ein bisschen Schwung täte dir gut,

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