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Wolkenfern (German Edition)

Wolkenfern (German Edition)

Titel: Wolkenfern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joanna Bator
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sagte ihr Mann öfter mit Vorwurf in der Stimme, denn die Tatsache allein, dass sie Josephine hieß, reichte ihm nicht zum Glück. Er hatte ihr ein Hündchen gekauft, wie es die Frau des Kaisers gehabt hatte, und sie hatte das Tierchen in der Truhe ersticken lassen; er wollte tanzen, sie verrenkte sich den Knöchel, er nahm sie mit auf die Jagd, sie schoss den Notar von Radomsko an. Sie saß bloß da und strickte, war das eine Ehefrau? Ein bisschen Schwung täte dir gut, Josephine! Antoni Mopsiński verzog sich immer öfter in sein Arbeitszimmer und bewunderte hinter verschlossener Tür allein für sich den Nachttopf Napoleons.
    In Kamieńsk nannte man Antoni Mopsiński den Fabrikanten, und wenn man über ihn redete, dann immer nur als den Fabrikanten. Man wusste, dass er ein Jude aus Łódź war, getauft und mit einer Gojin verheiratet, denn solche Dinge rochen die Leute dort auch nach drei Generationen noch gegen den Wind. Gleich zu Anfang stiftete der Fabrikant sogar neue Figuren für den Kreuzweg der Kirche, doch ansonsten hielt er sich abseits und verbrachte viel Zeit in Łódź, weil er nach den Geschäften sehen musste. Noch nach dem Krieg konnte man einige Zeit auf einer grünspanigen Tafel in der Kamieńsker Kirche die Namen der großherzigen Spender Antoni Mopsiński und Josephine Mopsińska, geborene Kloc, lesen, doch eines Nachts brach jemand in die Kirche ein, schraubte die Tafel ab und entwendete bei der Gelegenheit auch zwei silberne Kelche und den Teppich am Altar. Wenn viele Jahre später Antoni Mopsińskis Urenkel Andrew, Student der Columbia University in New York, nach Kamieńsk kommen wird, um nach den Spuren seiner Großeltern zu suchen, wird sich niemand mehr an den Fabrikanten erinnern, obwohl die Stelle, wo die gestohlene Tafel einst hing, immer noch heller ist als die übrige Wand. Der Pfarrer würde gern helfen, zumal er selbst ein wenig an Geschichte interessiert ist, vor allem am Mittelalter, doch leider war das Kirchenarchiv aus den weniger weit zurückliegenden Zeiten zusammen mit der halben Pfarre in Rauch und Flammen aufgegangen, als die Deutschen am zweiten Kriegstag Kamieńsk bombardierten. Aber der Pfarrer wird den Gast aus Amerika auf ein Glas hausgemachten Wein einladen, und die beiden werden sich so prächtig unterhalten, dass sie unversehens drei Flaschen leeren. Am nächsten Tag wird der verkaterte Andrew Mopsinsky, dem die Zunge wie ein verschimmelter Brotkanten im Mund liegt, die Stelle fotografieren, wo die Tafel gehangen hat, was den Pfarrer sehr wundern wird, so dass er ihn dazu anhält, auch die ganze Kirche zu fotografieren oder das von einem Künstler am Ort nach einem Foto angefertigte Gemälde des Papstes, bitte, schauen Sie, was für eine Ähnlichkeit, und diese Farben, schöner als in der Natur! Vom Papst soll er ein Foto machen, was sollen sonst die Leute im Ausland von der Kamieńsker Kirche denken, wenn er nur dieses Foto von einem Flecken an der Wand zeigt. Zum Abschluss seines Besuchs in Kamieńsk fotografiert der junge Mann noch die Überreste des Herrenhauses und die mannshoch mit Kletten umwucherte Napoleonhütte; er ist durch den Zaun hineingeschlüpft und bestimmt in einen Scheißhaufen getreten, denn später hat Marianna Gwóźdź gesehen, wie er sich die Schuhe im Gras abgestreift hat.
    Die Napoleonhütte war eine geräumige Kate mit Strohdach, das wie eine Pelzkappe bis zu den kleinen Fenstern reichte, in einem feuchten Garten direkt am Fluss Kamionka. Grażynka kann sich jede Einzelheit des Hauses in Erinnerung rufen – wie es damals war, als Leben es erfüllte: die grüngestrichenen Fensterläden, die Beschaffenheit der rauen Wände, die, von der Sonne aufgewärmt, lebendig schienen wie die Haut eines sehr alten Tiers, den Geruch von saurer Milch, getrockneten Pilzen und Lavendel, den die zum Tee eingeladenen Gäste im Flur als Erstes rochen. Grażynka braucht nicht wie Opa Mopsiński die Augen zu schließen, sie braucht nur das Haus zu verlassen und in den Wald zu gehen, um wieder zu sehen, wie zwei Frauen und ein Mädchen im Schein der Petroleumlampe an einem schweren Holztisch sitzen. Das kleine Mädchen ist sie selbst, die beiden Frauen sind die Teetanten.
    Die letzten Bewohner der Napoleonhütte waren die Mündel des glücksspielenden Gutsherren, Róża und Aniela Rozpuch, die Antoni Mopsiński wie abgemacht aufnahm. Anfangs wohnten sie unter einem Dach mit der Familie Mopsiński; sie grüßten den Fabrikanten höflich, der jedes Mal den

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