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Wolkenfern (German Edition)

Wolkenfern (German Edition)

Titel: Wolkenfern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joanna Bator
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Szczawno Zdrój machten Jadzia Spaß, und sie redete sich sogar ein, dass sie gar keine Zeit hätte, sich um Enkelkinder zu kümmern wie andere; sie hatte ja schließlich so viel zu tun, einmachen, Briefe schreiben, Rezepte ordnen, Bettzeug, Handtücher, Geschirrtücher aus dem Sonderangebot sammeln und dazu die Plauderstündchen mit Jeremiasz Mucha in Szczawno Zdrój. Wenn sie vor dem Babel Bekannte mit deren Enkelkindern traf, die ihren Eltern so ähnlich sahen – Jadzia sah sie noch als Schulkinder in Dominikas Klasse vor sich –, dann verspürte sie eine Mischung aus Eifersucht und Abneigung. Sie hatte zwar keine Chance mehr, an diesem einfachen und wohlbekannten Gang der Dinge teilzuhaben, aber dafür hatte sie schon ganze andere Dinge erleben können.
    Ach, ich hab leider wirklich keine Zeit, ich bin grade auf dem Sprung nach Szczawno, sagte sie abwinkend zu ihren Bekannten, und bald tuschelte man auf Piaskowa Góra, dass Jadzia Chmura einen habe. Ich glaub, sie hat einen! Die Lepka war die Erste, die diese Vermutung laut aussprach. Jeden Sonntag rennt sie nach Szczawno, aufgedonnert wie werweißwas, ganz mit Parfüm bespritzt. Unten in der Drogerie habe ich gesehen, wie sie Parfüm gekauft hat, sich eingesprüht, es ausprobiert hat, sah nicht so aus, als macht sie das für sich selbst. Und dazu noch Taschen voll mit werweißwas, bestimmt bringt sie einem Mann Essen mit, um ihn für sich einzunehmen. Vielleicht ein Witwer mit Haus? Oder ein Geschiedener, aber ein nicht so geschröpfter. Mit einem Verheirateten würde sie sich ja wohl kaum einlassen, obwohl, wer weiß, heutzutage ist ja alles möglich. Die Lepka hatte geübten Auges festgestellt, dass Jadzia Taschen mit Essen mitnahm. Jadzia Chmura kannte nämlich, ganz ähnlich wie Apostolea, nur eine Sprache der Gefühle, und die drückte sich in Nahrungsmitteln aus. Sie konnte Liebe in Gestalt von Scheiben hausgemachter Pastete oder Blaubeerkuchen in mundgerechten Quadrate vermitteln; im Gegensatz zu dem formlosen Magma in ihrem Herzen ließ sich diese Liebe mit vollen Händen austeilen. Jadzia war eine Ernährerin, auf Reisen Verabreicherin von Butterbroten und Tomaten; wenn sie an ihren Mann Stefan zurückdachte, dann vor allem, weil er sich wie kein anderer füttern ließ und nie genug bekam, nicht so wie Dominika, dieser Nörgel-Jörgel. Manchmal brachte sie ihren Nachbarn Essen, bei denen nach Krysia Śledźs plötzlicher Abreise alle Ordnung zusammengebrochen war, und zwar genau in dem Moment, in dem Mann, Tochter und Enkelin sämtliche von Krysia angelegten Vorräte aufgegessen hatten. In der Nachbarwohnung herrschte ein sagenhaftes Drunterunddrüber von Spielzeug, Kleidern von Iwona und Pati, Bonbonpapieren und leeren Fast- Food-Packungen, in den Ecken tanzten die Wollmäuse, und Jadzia spürte, dass in diesem traurigen Heim viel mehr gebraucht wurde, als sie geben konnte, deshalb richtete sie ihre Gebefreude ganz auf Jeremiasz Mucha.
    Alle paar Monate schloss Jadzia sich der Seniorengruppe an, die der alte Schauspieler durch Wałbrzych und Umgebung führte und dabei mit der Stimme eines drittklassigen Dramendarstellers von den Geheimnissen dieser schönen Gegend erzählte. Am Schluss wurde meistens ein Picknick gemacht, bei dem man über schmerzende Beine, Politiker und Wetter klagen oder bei besserer Laune in Erinnerungen an alte Zeiten schwelgen konnte, als Wałbrzych auf Kohle gebaut war, im Fernsehen erwähnt wurde und man immer noch Gänsehaut bekam, wenn die Bergleute zum Maiumzug aufbrachen. Ach, was waren das für Zeiten! Jadzia steuerte selbstgebackene Wecken mit Rosenkonfitüre bei, herrliche runde Gebilde, so weich und zart, als wäre ein jedes eine Brust und kein Brötchen. Auch wenn sie allen davon anbot, fütterte sie in Wirklichkeit nur Jeremiasz Mucha, denn sie erahnte in ihm einen ähnlichen Hunger wie in ihrem Mann Stefan, dem dieser Hunger allerdings zum Verhängnis geworden war. Das ist ein guter Mensch, sagte Jadzia von Jeremiasz Mucha, und ihren Worten konnte man die Richtigkeit nicht absprechen; die früher so ins Auge stechende Tatsache, dass zur Güte noch das Homodingsbums hinzukam, hatte sie sich auf einfache und wirksame Weise zurechtgelegt. Weil Jeremiasz sich zu Männern hingezogen fühlte und sich dazu noch mit Farben auskannte, jeden Tag badete, Dinge entzückend fand und wie eine Parfümerie roch, war er wie eine Frau, war also fast genauso wie sie, Jadzia. Wer würde sich hier mit kleinen Unterschieden aufhalten,

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