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Wolkenfern (German Edition)

Wolkenfern (German Edition)

Titel: Wolkenfern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joanna Bator
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in dem Maße, wie es schüttete, erweiterte er sein Sortiment, taillierte für Frauen, männliche für Männer, rosafarbene für Mädchen, blaue für Jungen, plus ein Sonderangebot für Hündchen, die in gefährlicher Nähe von Gullies spazierten. Aus der Vogelperspektive sah Piaskowa Góra aus wie ein fremder, von glänzend pastellhäutigen Wesen bewohnter Planet; heilige Muttergottes, klagte Jadzia, wie ich mir auch die Haare eindrehe, mit Haarlack besprühe, immer habe ich gleich wieder einen Haufen Stroh auf dem Kopf, und in diesem Plastikding sehe ich aus wie eine Wurst in der Pelle, was hat mich da geritten, mir einen Mantel in Rosa zu kaufen. Im Fernsehen wurden das überschwemmte Kłodzko und Wrocław gezeigt, Jadzia sah Wassermengen, die sich über Staudämme aus Sandsäcken hinwegwälzten, überschwemmte Dörfer, Felder und wütende oder verzweifelte Menschen, und mitten in ihrer Lieblingsserie wurde auf einmal der Strom abgestellt, und Piaskowa Góra lag im Dunkeln da, durch die Lücken zwischen den Bauplatten sickerte das Wasser in die Wohnungen. Pilze wuchsen nicht nur an den Wänden; die seltsam phosphoreszierenden Hütchen sprossen unter jedem Baum, monströse Zunderpilze erklommen die Stämme und versuchten gar, an Telegraphenmasten und Laternen einen Nährboden zu finden, hallimaschartige dürre Gebilde auf Spinnenbeinen bewiesen Widerstandskraft und Ausdauer und überwucherten die vollgeschissenen Gehwege vor den Häusern; auf dem Dach des Babel schossen halluzinogene Pilze empor, und der erste Drogensüchtige, der hinaufstieg, um sich vor Regen und Verzweiflung in die Tiefe zu stürzen, dachte, er hätte es bereits hinter sich und wäre im Paradies. Wenn man ein Ohr an den Boden legte, hörte man es gluckern, denn das Wasser floss durch die Gänge der stillgelegten Bergwerke und toste in den schwarzen Löchern der Schächte, schwoll an und brauste, riss im Dunkeln stehengelassene Bergbaumaschinen um, zerrte an den Gleisresten und riss sie mit sich; es wurde immer mehr, und hier und da sprudelten aus Spalten in Boden und Kellerwinkeln schwarze Geysire empor, unter Piaskowa Góra breitete sich ein unterirdisches schwarzes Meer aus, in dem die Geister polnischer und deutscher Bergarbeiter an die Wände donnerten, dass es hallte.
    Als schließlich der erste, dann der zweite sonnige Tag kam, versammelten sich die Menschen auf den Bänken, besuchten ihre überschwemmten Schrebergärten auf dem Gedymina-Hügel, machten sich auf in die Parks, und die Rentnergruppe unter der Führung von Jeremiasz Mucha brach nach Zagórze auf; jetzt oder nie, Frau Jadwiga, ermunterte sie der alte Schauspieler. Sie waren nur zu sechst, die anderen hatte die Möglichkeit eines neuen, im Fernsehwetterbericht angekündigten Unwetters abgehalten, dafür waren sie genau paarweise, Jadzia und Jeremiasz, Herr und Frau Ćwiek, die Bibliothekarin Frau Ola und Jerzy, ein Bergbauingenieur, der jetzt einen Stand mit Damenunterwäsche im Manhattan betrieb; der Ingenieur hatte seine Hündin Perełka dabei, das Ehepaar Ćwiek den Rüden Aresik, beides Exemplare der polnischen Promenadenmischung, und so bildeten auch Jadwiga und Jeremiasz ein Paar. Die Gruppe tauschte Höflichkeiten aus, sortierte, wer nach hinten kam, wer nach vorn, quetschte sich in den Skoda des Ingenieurs, ruhig Blut, Herr Ingenieur, sagte Herr Ćwiek, als wir unseren kleinen Fiat noch hatten, haben wir beiden uns zusammen mit Kindern und Oma ins Auto gezwängt und sind bis nach Lublin zu einer Hochzeit gefahren, ist es nicht so, Mütterchen? Er klopfte Frau Ćwiek auf den Schenkel; aber ja, Väterchen, stimmte seine Ehefrau zu, und los ging es. Zagórze, ein kleiner Ort am Fußes des Berges Chojna, war wegen des auf ebendiesem Berg errichteten Schlosses Grodno, eines Sees und einer von den Deutschen erbauten Talsperre eine Touristenattraktion. Früher hatte es hier noch eine Ferienkolonie für Arbeiter gegeben, doch jetzt verfielen die Häuschen langsam, und die direkt am Wasser liegenden waren von Prominenten aus der Region gekauft worden; das Neue hielt Einzug, ein Haus war elegant mit einem Plastiksiding verkleidet, ein anderes schmückte eine Terrasse mit Ziersäulen. In Zagórze und Umgebung eröffneten die ersten Ferienbauernhöfe und boten Gästezimmer und Hausmannskost; von Dachböden und aus Kammern wurden Holzfuhrwerke und Wagenräder hervorgeholt, zu Blumenbänken umgestaltet oder an den Wänden aufgehängt, sollten sie Charme verleihen und das einfache

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