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Wolkenfern (German Edition)

Wolkenfern (German Edition)

Titel: Wolkenfern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joanna Bator
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mit Stefan in Zagórze gewesen, er zuvorkommend und unbeholfen zärtlich, hungrig, sie aufgedunsen, so schwangerschaftsgeschwängert, dass ihr ganz schwer zumute war. Sie wollte damals im Schatten ruhen, während Stefan in der prallen Sonne herumsprang, sich ins Wasser stürzte und silbrige Fontänen versprühte, beim Schwimmen – mal auf dem Bauch, mal auf dem Rücken – spritzte und sich danach schüttelte wie ein junger Hund, um sich dann auf den Proviant zu stürzen; Jadzia hatte ihm zugesehen und in Gedanken vor sich hin gesagt, Ehemann, Ehefrau, das ist mein Ehemann, ich, Jadzia Chmura, bin eine Ehefrau, das ist mein Leben. Später, in der Stille des frühen Nachmittags, der sich wie ein süßer Dunstschleier über Zagórze herabgesenkt hatte, hatten beide inmitten tanzender Sonnenflecken auf der Decke gelegen, und Jadzia hatte sich plötzlich gut gefühlt, sie hatte den neben ihr schlafenden dünnen Mann mit den kartoffelschalenfarbenen Haaren angesehen und ihm über den Kopf gestreichelt in der Hoffnung, dass dieser lichtdurchflutete Augenblick etwas Gutes ankündigen würde. Wenn Jadzia sich in den traurigen Jahren, die dann gefolgt waren, an diesen wie einen Goldfisch aus der Zeit geangelten Moment erinnerte, schien er ihr wie der Beweis für einen offenkundigen Betrug des Schicksals, das ein einmal gegebenes Versprechen nicht hielt. Erst vor kurzem, zwischen einem Anruf von Dominika und einem Treffen mit Jeremiasz Mucha auf der Bank in Szczawno, hatte Jadzia gedacht, dass sie vielleicht doch nicht ganz übers Ohr gehauen worden war, denn solche Momente waren ein Schatz, den man wie russisches Gold für eventuelle schwere Zeiten im Unterwäschefach aufbewahrte.
    Der geplante Ausflug nach Zagórze wurde wegen des Wetters immer wieder verschoben. Es regnet junge Hunde, Tag und Nacht, Blitze zucken, lamentierte Jadzia im Gespräch mit Dominika; ganz Szczawienko ist überflutet, wir saufen hier noch ab wie die Ratten, das Obst wird faul, wie soll ich dann einmachen? Es schüttet wie bei deiner Erstkommunion, weißt du noch? Dein Kommunionkleid war triefnass, die Frisur so plattgeregnet, dass mir die Tränen kamen, aber jetzt, jetzt ist es wie hundert solche Unwetter auf einmal. Wochenlang wälzten sich in diesem Sommer Wasserwände ins Wałbrzycher Tal und strömten an den Berghängen herab, die Erde war so aufgeweicht, dass die Füße einsanken und die Autos feststeckten; es geschah immer öfter, dass jemand seinen Fiat hinterm Haus stehen ließ und morgens nur noch das Dach entdeckte, das aus dem Schlamm ragte und auf dem eine gotterbärmlich kreischende, triefnasse Katze saß oder ein aufgeweichter Säufer schlief. Auf den Weiden rund um die Stadt standen die Kühe bis zum Bauch im Schlamm, und man konnte sie wegen des hochaufgeschossenen giftgrünen Grases und der tropischen Blumen kaum noch sehen, während in Dziećmorowice bei Wałbrzych der Bach, der zu einem reißenden Fluss geworden war, den alten deutschen Friedhof unterspülte und die Leute sich beim Anblick der herausgeschwemmten Protestantenleichen bekreuzigten, die mit über der Brust wie Fledermausflügel gekreuzten Armen durch das Dorf trieben und gen Westen weiterrauschten. Unter den unterspülten Gehsteigplatten auf Piaskowa Góra spritzte der Schlamm hervor, wenn eine unvorsichtige Hausfrau auf dem Rückweg vom Manhattan auf sie trat, Kinder plumpsten in so tiefe Pfützen, dass sie zu ertrinken drohten, und bald ließen die umsichtigeren Mütter ihren Nachwuchs nur noch mit Schwimmflügeln aus dem Haus. Die Dachrinnen verstopften und kotzten unvermittelt schäumende Schwälle von Unrat, Blättern und verendeten Tauben aus, der Putz fiel von den aufgeweichten Hauswänden, und in den Wohnungen sprossen unbekannte Arten von Pilzen und leuchteten im Dunkeln. Eines Nachts senkte sich während der seit einer Woche ununterbrochen andauernden Regenfälle die rechte Ecke des Babel über einen Meter tief in das butterweiche Erdreich ab, und den Leuten fielen alle Kristallfigürchen von den Schrankwänden, alles zersprang und ging zu Bruch, und die Lepka wäre fast von einem Koffer mit Christbaumschmuck erschlagen worden, der vom Schrank rutschte. Ältere Leute gingen vorsichtig, mit ihren Stöcken den Boden prüfend, denn über die Gehwege rauschten schmutzige Ströme unterschiedlicher Tiefe, und niemand verließ das Haus ohne Plastikregenmantel mit Kapuze, deren Produktion sofort ein schlauer Nachfolger Onkel Kazimierzs in Angriff genommen hatte;

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