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Wolkenfern (German Edition)

Wolkenfern (German Edition)

Titel: Wolkenfern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joanna Bator
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besonders mit über sechzig. So saßen sie weiterhin auf ihrer Bank im Kurpark, Jeremiasz Mucha fragte, und was gibt es Neues beim Fräulein Dominika, und Jadzia holte Luft und erzählte.
    Herr Jeremiasz, wissen Sie, sie war ja immer schon so eine Spinnert-Spleenige und auch so ein bisschen hallodri-schnallodri, ich warte nur darauf, was sie sich diesmal ausdenkt, was sie anstellt, manchmal habe ich schon gedacht, ich geb den Löffel ab wegen ihrer Spleenerei. Vor dem Unfall, Herr Jeremiasz, nichts, nur Mathematik, und selbst da habe ich mir Sorgen gemacht, denn das ist doch mehr was für Jungs, was will denn ein Mädchen mit Mathematik, das ist ja wie eine Frau als Klempner oder als Chirurg zum Beispiel. Aber es gab da in der Schule so einen Neunmalklugen, der sagte, welch ein Verstand, glauben Sie mir, die kriegt irgendwann noch den Nobelpreis. Nach dem Unfall, Herr Jeremiasz, war das alles weg, als ob durch das Loch im Kopf, das sie hatte, die ganze Mathematik hinausgeflogen wäre. Und ich sag Ihnen was, Herr Jeremiasz, ich habe mir gedacht, vielleicht kommt dabei noch was Gutes heraus, vielleicht kriegt sie einen ordentlichen Beruf, denn diese Nobelpreise sind doch Schall und Rauch, aber so ein Zahntechniker zum Beispiel wird immer Arbeit haben. Doch nichts da! Grażynkas Ehemann, den Sie kennengelernt haben, hat ihr einen Fotoapparat geschenkt, aber so einen, dass man Angst hat, ihn anzufassen, so einen schweren Kasten, und tausend verschiedene Knöpfe, man weiß gar nicht, wo es zum Anschalten geht und wo zum Ausschalten. Ich für meinen Teil, Herr Jeremiasz, hatte noch nie ein Händchen für Technik, o nein, Computer, Apparate und was nicht alles, das ist nichts für mich, sogar wie die Fernbedienung für den Fernseher funktioniert, musste mir Dominika erst auf einen Zettel schreiben. Und als sie einmal angefangen hatte, Fotos zu schießen, konnte sie nicht mehr aufhören, aber dass sie normale Bilder machen würde wie vom Namenstag, von der Erstkommunion oder irgendwelche Ansichten, Blumen, von wegen. Ich finde, wenn man Fotos macht, dann von Leuten, die schön und jung sind und lächeln, aber bei ihr sind es die Hässlichen, Faltigen, eine Alte bleckt ihren einzigen Zahn und grinst dabei wie ein Honigkuchenpferd, ein riesiger, schwarzer Lulatsch liegt vor einer Mauer, mit nur einem Schuh, eine Zwergin in Klamotten wie, mit Verlaub gesagt, eine Nutte vom Straßenstrich. Und wie sie ihre eigene Großmutter fotografiert hat kurz vor dem Tod, ich weiß auch nicht, Herr Jeremiasz, aber wenn ich mir das Foto ansehe, durchfährt es mich, als ob sie die Seele der alten Halina Chmura aufgenommen hätte. Nur von mir, Herr Jeremiasz, ihrer eigenen Mutter, hat sie noch kein normales Bild gemacht. Von meinen Haaren, Augen, jedes für sich, Ohren, vom Mund, Herr Jeremiasz, von den Fingernägeln, Füßen und sogar von meinem Bauchnabel, aber von mir als Ganzes nie; mit dir wird das nichts bei mir, Mama, sagt sie. Schöne Fotos? Dafür muss man sich wohl auskennen, Herr Jeremiasz, mit Kunst oder so was. Für mich sind sie wie diese Filme, die sie manchmal nachts zeigen, solche schweren, psychologischen, wo man nicht aufatmen, nicht vergessen kann, sondern sich noch quält, zermartert, und später gehen sie einem im Kopf herum, und man quält sich wieder. In zwei Monaten kommt Dominika, ich kann es gar nicht erwarten, danach werd ich erst was zu erzählen haben! Aber lang bleiben wird sie hier nicht, wie ich sie kenne, einmal umgedreht, alles rumgedreht, und schon ist sie wieder weg. Sie versucht mich immer zu überreden, Mama, komm doch zu mir, Mama, bitte, komm, aber wissen Sie, Herr Jeremiasz, das Reisen ins Ausland, das ist nichts für mich. Hab ich Ihnen schon erzählt, wie ich noch im Kommunismus nach Karpacz gefahren bin und mir Salmonellen eingefangen hab?
    Jadzia gefiel dieses Beieinandersitzen auf der Bank in Szczawno besser als die landeskundlichen Ausflüge mit den Rentnern, denn das Wandern nur des Wanderns wegen hatte noch nie einen Reiz für sie gehabt, und obwohl sie sich sehr bemühte, alles zu behalten, was Jeremiasz über alle möglichen Orte erzählte, vergaß sie manches und warf den Rest durcheinander, zum Beispiel wer Hitlers Schatz vergraben und wo sich die Prinzessin Daisy ertränkt hatte oder umgekehrt. Als Jeremiasz jedoch einen Ausflug in das Dorf Zagórze plante, beschloss Jadzia, mitzufahren, und ging auf den Manhattan, um sich neue bequeme Schuhe zu kaufen. Einmal, vor dreißig Jahren, war sie

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