Wolkenfern (German Edition)
Zimmern. Bestimmt waren alle ihre Blumen eingegangen, und die Zierfiguren und Kristallsachen waren ganz verstaubt, heilige Muttergottes! Ob Krysia Śledź, der sie die Schlüssel gegeben hat, auch nicht in ihren Schränken herumstöbert? Und ob sie wohl den Farn versorgte, wie es sich gehört? Ihn weder zu viel noch zu wenig goss? Das Gold für schlechte Zeiten hatte Jadzia unter der Spüle versteckt, mit Klebeband hatte sie es hinter dem Knie des Abflussrohrs befestigt, aber was, wenn es einen Rohrbruch gab, die Wohnung überschwemmt wurde und alles rauskam? Vor Allerheiligen wollen sie zurückfahren, dann ist nicht so viel Verkehr auf den Straßen, und sie kommen noch rechtzeitig, um auf dem Wałbrzycher Friedhof Kerzen für ihre Toten anzuzünden. Die Sache ist entschieden, und bald packen Mutter und Tochter Chmura die Koffer, in denen die vielen Geschenke von Grażynka und Hans kaum Platz finden. Jadzia betrachtet die ganzen Herrlichkeiten, schätzt ihren Wert und wickelt sie sorgfältig in Plastikbeutel, Dominika sind die Küchenmixer und Mohairpullover völlig gleichgültig. Ein paar Tage vor der Abreise hat Grażynka noch ein Geschenk für sie, einen Fotoapparat, den Hans aus München mitgebracht hat. Dominika wiegt die kleine Kamera in der Hand und hält sie nach kurzem Nachdenken vors Auge, sie richtet den Sucher auf die Kaffee trinkende Mutter, wandert mit dem Auge über ihr Gesicht, konzentriert sich auf den Tassenhenkel und den abgespreizten kleinen Finger, drückt auf den Auslöser. Der Fotoapparat gehört zu den wenigen Dingen, die Dominika seit ihrem Unfall in eine Art Begeisterung versetzen. Sie macht ein Foto nach dem anderen: ihre eigenen Zehen, ein Ohr von Jadzia, Grażynkas Gesicht, das sich in Hans’ Brille spiegelt, den weichen Umriss von Saras Hüfte, einzelne Körperteile der Haustiere, die Struktur von Baumrinden. Auf keiner Aufnahme ist eine ganze menschliche Gestalt zu sehen, nur Hände, ein Finger im Henkel einer rosengemusterten Tasse, Lippen mit Glanzcreme, das Auge eines Schweins, das Auge einer Katze, eines Hunds, eines Spatzen. Nur Grażynka macht es Spaß, für Dominika zu posieren, denn seit jener Zeit, als Ludwik Borowic in Kamieńsk das erste Porträtfoto von ihr machte, liebt sie die Kunst der fotografischen Ablichtung. Ganz im Gegensatz zu Jadzia, die durchs Zimmer fegt, das größer ist als ihre ganze Wałbrzycher Normwohnung, sich über das Knipsen beschwert und wegen ihrer Nerven alle naselang Raphacholin schluckt. Sie kann nichts finden, lässt alles fallen, Hör schon auf, so herumzuknipsen, tadelt sie ihre Tochter, wie seh ich denn darauf aus, so verschwitzt und gar nicht zurechtgemacht.
Aus der Tasche der Sommerjacke, die Jadzia im Juli und August getragen hat, als sie am Bett ihrer schlafenden Tochter wachte, fällt ein mit Einmachgummi umwickeltes Päckchen. Dominika knipst ein erstauntes Auge ihrer Mutter und einen Winkel ihres erstaunten Mundes. Wie konnte sie das vergessen! Wo hat sie bloß ihren Kopf? Jadzia wickelt einen Ring aus einem Taschentuch, das Gold ist dunkel und glänzt nicht so wie das den Russen abgekaufte Gold, obwohl sie es mit Zahnpasta geschrubbt und mit Flanell poliert hat, der Stein darin funkelt wie Feuer, mal smaragdgrün, mal rubinrot, er kommt Jadzia so schön vor, bestimmt ist er nicht echt. Dominika knipst den Ring am Finger ihrer Mutter. Ist er echt? Sogar wenn er aus Glas ist, denkt Jadzia, während sie das Schmuckstück gegen das Licht betrachtet, sogar dann ist die Fassung bestimmt viel wert, und man könnte ihn eventuell einschmelzen lassen oder zu Bargeld machen. Diesen Ring hatte Dominika in der Faust, als Małgosia und Pastor Postronek sie am Ufer des Kleinen Sees der Spinnennixe fanden. Ein Wunder, dass sie ihn im Krankenwagen nicht geklaut haben, dachte Jadzia verwundert, als man ihr im Krankenhaus diesen Ring gab, den sie in ihrem Leben noch nie gesehen hatte. Sie wollte sogar sagen: Wozu dieser Ring, der gehört nicht uns – aber andererseits ließ sich immer eine Erklärung finden, und wenn man schon Gold in die Hand gedrückt bekommt, nimmt man es besser an, ohne lang zu überlegen. Hinterher fiel ihr ein, dass Dominika vielleicht von Kaplan Adaś das Schmuckstück bekommen hatte. Woher hätte sie es sonst haben sollen? Sie hatte den Ring ihrer Tochter gleich beim Aufwachen geben wollen, deshalb hatte sie ihn immer bei sich, wenn sie ins Krankenhaus ging, doch im Trubel der Ereignisse hatte sie es dann vergessen. Jadzia
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