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Wolkenfern (German Edition)

Wolkenfern (German Edition)

Titel: Wolkenfern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joanna Bator
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probiert den Ring an, aber er passt nur auf ihren kleinen Finger, und auch da nur bis zum zweiten Gelenk. Bestimmt war er für irgendeine magere Bohnenstange angefertigt worden. Dominika knipst die ringgeschmückte Hand ihrer Mutter, in ihren Augen spiegelt sich der grünliche Glanz. Woher hast du eigentlich diesen Ring gehabt, Kind? Meinst du, er ist viel wert? Katzengold wäre doch nachgedunkelt, dann muss es doch wohl echtes Gold sein? Dominika kann die Neugier ihrer Mutter nicht befriedigen. Einen Augenblick lang erstarrt sie, was nur das mütterliche Auge wahrnimmt, doch dann steckt sie den Ring gleich an den Mittelfinger der rechten Hand und zuckt mit den Schultern. Sie hat ihn wohl irgendwo gefunden, sie weiß es nicht mehr. Über Dominikas Gesicht huscht ein Schatten, vielleicht – aber nicht unbedingt – das Aufblitzen einer Erinnerung, sie knipst den Ring an ihrem Finger und steckt dann zu Jadzias großer Erleichterung diesen Teufelsapparat endlich weg.
    Am Tag ihrer Abreise aus Mehrholtz ist es neblig und kühl, der Himmel schwer von Schnee, der zu rieseln beginnt, als sie sich ins Auto setzen. Grażynka bringt sie nach München, und Sara kommt als Begleitung mit, obwohl es Jadzia lieber wäre, wenn niemand ihre Mutter-Tochter-Zweisamkeit stören würde. Sie möchte Dominika jetzt anderen entreißen und endlich für sich haben, na, Kind, da sind wir endlich auf dem Heimweg; das Gras ist immer grüner auf der anderen Seite vom Zaun, aber zu Hause ist es doch am allerbesten. Am Autobusbahnhof sieht Jadzia zum ersten Mal seit langer Zeit wieder andere Polen, sie laden vollgestopfte Taschen aus kariertem Plastikgeflecht in die Kofferräume der Busse, ihre Gesichter wirken gleichzeitig vertraut und abstoßend. Sie weiß selbst nicht, wie sie sich stellen soll: so, dass man sieht, dass sie zu ihnen gehört, oder so, als ob sie Distanz hielte. Sie schnappt die polnischen Worte auf und verzieht ihr Gesicht theatralisch bei jedem »Scheiße« und »verfickt noch mal«. Guck nur, Kind, was die alles mitschleppen!, flüstert Jadzia, die haben sich was zusammengerafft, haben im Ausland gut verdient und bringen das jetzt mit nach Hause, das sind unsere Leute, sie sind überall, die sitzen nicht auf dem Hintern. Mit der typischen Haltung jener Frauen, die immer fürchten, etwas zu verlieren, drückt sie ihre Handtasche an sich; sie ist ganz nervös und fragt sich, ob sie auch gute Plätze bekommen, denn es stehen zwar Zahlen auf den Fahrkarten, aber man weiß ja nie. Drängelt sich da etwa einer vor? Der, der so flucht, der will seinen Hintern schon außerhalb der Reihe reinschieben! Die Welt ist voller Schlitzohren, die nur darauf achten, wie sie jemanden wie Jadzia Chmura reinlegen und beiseitedrängen können, dem Armen weht der Wind immer ins Gesicht. Sie haben eine lange Reise vor sich, wird Dominika nicht Hunger haben, vielleicht sollte sie noch einen Imbiss nehmen, schlägt Jadzia vor, dabei ist eigentlich sie es, die den Hunger verspürt, den sie ihrer Tochter einreden will, denn sie hat schon seit längerem ein Auge auf eine Kebab-Bude geworfen. Was für ein Düftchen! Es riecht nach Fleisch, fast wie zu Hause, obwohl der Verkäufer so ein Wilder ist, ein Schwarzer, Behaarter, mit Augen, dass einem Angst und Bange werden kann. Jadzia Chmura stellt sich dem Wind in den Weg und schnuppert: Das ist doch kein Schweinefleisch? Vielleicht Hühnchen? Hättest du keinen Appetit darauf?, fragt sie ihre Tochter, die sie anstarrt, als hätte sie erst jetzt begriffen, dass sie auf dem Autobusbahnhof in München ist. Dominikas Augen sind riesengroß, zwei Kleine Spinnennixen-Seen, in denen sich ein Feuer spiegelt; die weiß hervortretenden Fingerknöchel sind um die Henkel der Tasche mit Reiseproviant gekrallt. Noch bevor ein Wort gefallen ist, weiß Jadzia, dass sich etwas Ungutes tut. Ihre Tochter geht einen Schritt zurück, in die Richtung, wo Sara steht, und sagt: Mama, ich fahre nicht mit zurück nach Polen.

III
    Ich fahr mit dir, wenn du willst. Sara legt beide Hände um die Bierflasche, ihr gelbes Haar steht im Gegenlicht der Sonne wie eine Aureole um ihr dreieckiges Gesicht. Ich fahr mit dir, auch wenn du keine Ahnung hast, wohin du willst. Dominika weiß inzwischen, dass der Duft, der sie aus dem Schlaf geweckt hat und der Sara immer begleitet, Patschuli heißt; in der Sonne erwärmt er sich so, dass er Sara wie eine vibrierende kleine Wolke umgibt. Dominika stützt sich auf den Ellbogen und macht ein Foto,

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