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Wolkengaukler

Wolkengaukler

Titel: Wolkengaukler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anett Leunig
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immer praktiziert, wenn ich in den vergangenen Monaten zu Hause nicht mehr ein noch aus gewusst hatte. Auch jetzt kam mir dieses Training zugute.
    Ich schwamm bis zur anderen Seite des Sees und legte mich dort schwer atmend in den warmen Sand. Meine Muskeln schmerzten, meine Beine zitterten leicht. Ich war eigentlich viel zu schnell geschwommen und hatte mich dementsprechend verausgabt.
    Aber wenigstens war mein Kopf jetzt frei für neue Gedanken. Doch bevor ich mir die machen wollte, wollte ich eine Weile die angenehme Leere und Entspannung genießen, die sich gerade in mir ausbreitete. Und weil hier am Ufer niemand zu sehen war, zog ich einfach meine unangenehm nasse Badehose aus. Nackt lag ich da, die Sonne ließ die Wassertropfen auf meinem Bauch prickeln, während ein warmer Windhauch zärtlich über meine Haut strich.
    Eine ganze Weile geschah gar nichts, ich döste vor mich hin, im Hintergrund das entfernte Lachen und Plantschen der Kinder, über mir das Tirilieren einer Lerche, die sich in den Sommerhimmel schraubte.
    Plötzlich wurde es dunkel, eine Gänsehaut lief über meinen Körper, und ich erwachte abrupt aus meinem Nachmittags-schlummer. Ein Schatten fiel auf mein Gesicht. Ich blinzelte irritiert in das Zwielicht über mir, aber mir war sofort klar, dass diese Silhouette der Person, die da vor mir stand, nur zu Christoph gehören konnte – ihre Konturen, schimmernd im silbernen Mondlicht, hatte sich mir tief ins Herz eingebrannt. Ein wehmütiger Schmerz durchzuckte mich; dann trat Christoph aus der Sonne und ließ sich neben mich in den Sand fallen. Er war völlig außer Atem.
    „Oh Gott, bin ich fertig! Das habe ich noch nie gemacht! Mitten durch den See zu schwimmen!“, keuchte er. „Um ehrlich zu sein, ich hätte nicht gedacht, dass ich das schaffen würde.“
    Er atmete ein paar Mal tief ein und aus, dann wurde er ruhiger. „Aber jetzt musste es sein. Ich wollte zu dir. Ich wollte dich zurückholen.“
    Ich hatte bis dahin stumm auf den See hinausgeblickt; jetzt sah ich zum ersten Mal wieder in seine Augen. Sie funkelten wieder wie zwei graue Edelsteine, jedoch nicht mehr kalt und scharf, sondern warm und liebevoll. Aber so leicht sollte er mich nicht herumkriegen! Solche Heldentaten zogen vielleicht bei einem Mädchen, aber nicht bei mir! Ich schwieg und wartete ab, was er noch zu sagen hatte.
     Tatsächlich war er noch nicht fertig: „Es tut mir leid, was ich vorhin gesagt habe, ehrlich. Das war dumm, und du hast Recht. Ich wünschte, ich hätte mehr Zeit gehabt, um mich auf dieses Gespräch vorzubereiten. Aber wahrscheinlich hätte das auch nichts genützt und alles noch viel schlimmer gemacht. Ach, Scheiße!“
    Damit drehte er sich mit einem resignierten Seufzer auf den Rücken und legte den Kopf in den Sand. Na gut, ein bisschen war ich schon wieder versöhnt. Allein die Tatsache, dass er eine so große Anstrengung unternommen hatte, um mich zurückzuholen, ließ mich die Zuneigung zu ihm stärker fühlen als meine Wut. Nach ein paar Augenblicken tastete ich nach seiner Hand und ergriff sie, fest und bestimmt.
    „Dann lass uns doch einfach dort weitermachen, wo uns vorhin das Ruder entglitten ist“, schlug ich vor und startete den zweiten Versuch: „Wer ist Falk?“
    Christoph heftete seinen Blick wieder fest auf mich, holte tief Luft und flüsterte: „Falk ist mein Lehrer.“
    Na prima, das schien ja wunderbar kompliziert zu werden! Ich sagte nichts, wartete ab, bis Christoph ebenfalls seine nasse Badehose abgestreift und es sich wieder neben mir bequem gemacht hatte. Beide wandten wir unsere Gesichter der Sonne zu. Offenbar fiel es Christoph so leichter zu reden, denn schließlich hörte ich wieder seine Stimme, langsam, etwas stockend, als müsste er sich die Worte genau überlegen:
    „Er war einer meiner Dozenten an der Uni. Ich hatte ihn in ‚Kunstgeschichte’. Außerdem spielten wir zusammen in der Volleyballmannschaft der Uni.
    Als ich ihn kennen lernte, am Anfang des zweiten Semesters, hatte ich gerade eine sehr konfuse Beziehung hinter mir. Dem Mädel ging es ziemlich schlecht, aber mir ging es noch schlechter. Ich hatte furchtbare Selbstzweifel, weil ich bisher keine meiner Beziehungen hatte halten können. Und Beziehungen mit Mädchen hatte ich eine Menge! Verrückt, was?
    Aber ich war so unstet, innerlich unruhig und aufgewühlt, als suche ich etwas, das ich bei den Mädels nicht finden konnte. Ich habe einigen bestimmt sehr wehgetan, und das tut mir leid. Ich war

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