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Wolkengaukler

Wolkengaukler

Titel: Wolkengaukler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anett Leunig
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dicht. Ich roch seinen markanten Geruch, spürte seine Körperwärme an meinem Rücken. Ich konnte nicht weg, und ich wollte es auch nicht. Nur dastehen und ihn spüren, ewig lange.
    ‚Na, ist was für dich dabei?’, fragte er und legte mir beide Hände auf die Schultern. Mich durchrasten Stromschläge, ein Kribbeln bis in die Fingerspitzen, aber ich zwang mich, ruhig stehen zu bleiben und abzuwarten.
    Dann fuhr er fort: ‚Christoph, ich weiß, was mit dir los ist. Ich habe dich schon längere Zeit beobachtet, vielleicht mehr, als dir lieb ist. Du hast Schwierigkeiten, dich selbst zu akzeptieren, deine Art, die so anders ist als das sogenannte Normale, und von der du noch nicht weißt, was es eigentlich bedeutet. Wenn du willst, kann ich dir helfen, zu dir zu finden.’
    Ich hatte plötzlich alles Vertrauen der Welt in ihn, legte meine Hand auf seine und fragte: ‚Und was, wenn ich schon weiß, was es bedeutet?’
    Er kam um mich herum, sah mir in die Augen und antwortete: ‚Dann könnten wir gemeinsam die Möglichkeiten ausloten, die sich daraus für uns beide ergeben.’ Dann küsste er mich, und in dem Moment wusste ich endlich ganz genau, was mit mir los war und wohin ich gehörte.
    Unsere Beziehung dauerte ungefähr ein Jahr, und das war die intensivste Zeit, die ich bis dahin erlebt hatte. Er hat mir alles beigebracht, von der Kunst des Philosophierens bis zum Sex. Wir haben stundenlang über Gott und die Welt geredet, gemeinsam Bücher gelesen, Bilder von der Welt um uns herum und einer besseren in unseren Köpfen gezeichnet. Meine Tage waren voll von ihm, und meine Nächte auch. Ich lernte, mit ihm zu fliegen wie bisher nur in meinen Träumen.
    Nur eines konnte er mich nicht lehren: die Kunst, loszulassen.
    Und gerade das hätte ich gebraucht, denn eines Tages war er plötzlich verschwunden. Einfach so, ohne einen Hinweis oder ein Abschiedswort. Zuerst dachte ich nur, er wäre krank, hätte Urlaub oder eine familiäre Verhinderung. Ich wusste eigentlich gar nichts über seine Familie, nichts über ihn selbst. Ist das nicht seltsam? Man geht mit einem Mann ins Bett, und dennoch bleibt er einem völlig fremd. Na ja, vielleicht ist das in den meisten Ehen und Partnerschaften auch ganz normal.
    Für mich war dieses latente Gefühl der Distanz nicht normal. Aber ich konnte seelisch einfach nie an ihn herankommen. Verstehst du, körperlich und geistig funktionierte es ganz gut, doch seelisch erreichte ich ihn nicht. Es war, als liefe ich gegen eine unsichtbare Mauer, die ich Stein für Stein abtragen musste, um zu ihm zu gelangen. Nur um bei unserem nächsten Treffen festzustellen, dass er sie wieder hochgezogen hatte, und ich von vorne anfangen musste. Manchmal ging es ganz leicht, aber manchmal schaffte ich es gar nicht. Dabei wollte ich nichts anderes, als diese blauen Augen lachen zu sehen. Keine Traurigkeit, keine Enttäuschung oder Verbitterung, warum auch immer. Nur Glück und Freude wollte ich darin sehen.
    Aber irgendwann hatte ich keine Chance mehr, denn er war weg. Ich habe ihn drei Monate lang gesucht, aber du kennst ja die Behörden: keine Auskunft, Datenschutz und so. Zwischendurch hatte ich schon Panikanfälle, dass vielleicht irgendetwas passiert war, dass er sich etwas angetan haben könnte. Irgendwann hat sich dann mal eine Sekretärin erbarmt und mir heimlich gesteckt, wohin er sich abgemeldet hatte. Ich glaube, sie hatte sich ausgerechnet, dafür für eine  Nacht bei mir landen zu können. Na ja, Pech gehabt.
    Nach Neuseeland war er gegangen. Er hatte diesen Ausstieg schon eine ganze Weile geplant. Doch im letzten Moment war ich dazwischen gekommen, und er hatte es fast abblasen wollen. Aber dann hatte er sich doch entschlossen, die Brücken abzubrechen. Ich weiß nicht, was in seinem früheren Leben schief gegangen war, vielleicht eine zerbrochene Partnerschaft, vielleicht Enttäuschungen im Beruf, vielleicht aber auch diese ganze Situation, diese vielen Fragen nach dem wie und warum und wofür im Leben, auf die er keine Antwort finden konnte. Ich hatte sie mit ihm auch nicht gefunden, vielleicht noch nicht, vielleicht niemals.
    Trotzdem hatte er für einen kurzen Moment geglaubt, dass ich ihn würde halten können. Ich hatte es auch geglaubt, aber ich hatte es nicht geschafft. Ich machte mir deswegen Vorwürfe, schlimme sogar. Ich mache sie mir immer noch...
     Als ich ihn schließlich gefunden hatte, schrieb ihm einen Brief. Es dauerte Wochen, bis er darauf antwortete. Er habe dort

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