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Wolkengaukler

Wolkengaukler

Titel: Wolkengaukler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anett Leunig
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einen neuen Anfang wagen. Christoph beriet mich wie ein Manager, und mit Hilfe seines ausgeprägten Sinnes für Stil, Farben und Strukturen fand ich sehr schnell heraus, was zu mir passte und mir auch gefiel. Die Sache machte mir ungemein Spaß, zumal ich es als sehr ungewöhnlich empfand, dass zwei Männer zusammen shoppen gingen. Die Damen in den Boutiquen schien das dagegen nicht sonderlich zu stören; im Gegenteil: die eine oder andere schenkte uns zum Abschied ein amüsiertes, verschwörerisches Lächeln. Wir waren halt in München, einer Stadt von Welt.
    Am Abend führten wir Tante Melanie unsere neuen Sachen vor. Wir packten ein Teil nach dem anderen aus, zogen es an, spielten Model auf dem Laufsteg. Christoph hatte sich einen neuen Anzug gekauft, dazu ein passendes Hemd, Schlips und Gürtel. Wie ein Gentlemen stand er vor uns, etwas unsicher, weil er solch schicke Montur nicht gewohnt war.
    Ich betrachtete ihn fasziniert, dann zog ich die Stirn kraus: „Ich glaube, so kannst du nicht nach Kanada fliegen!“
    Erschrocken sah er mich an und dann an sich herunter.
    Ich fügte hinzu: „Du siehst zu gut aus! Fast schon unverschämt gut.“ Das war mir einfach herausgerutscht, aber ich meinte es so, wie ich es gesagt hatte. Der anthrazitfarbene Anzug und der dunkelblaue Schlips mit den farblich abgestimmten kleinen Karos passten hervorragend zu seinen Augen, das cremefarbene Hemd harmonierte mit seinem Haar. Ich fing seinen Blick auf: erst etwas verstört, dann aber erleichtert und mit einer Spur Stolz. Plötzlich sah ich regelrecht eine Idee wie einen Funken darin aufblitzen.
    „Na gut“, antwortete er mit einem verschmitzten Lächeln, „dann ziehe ich halt alles wieder aus!“ Er ging zur Stereoanlage und legte eine CD ein. Schon nach den ersten Tönen erkannte ich den Song: ‚You can leave your hat on’ dröhnte Joe Cockers kratzige Stimme aus den Boxen. Was wurde das denn jetzt?!
    Tante Melanie, die, ganz Frau, gerade die Waschanleitung für den Anzug studierte, blickte erstaunt auf, dann grinste sie: „Oh, der junge Mann will uns seine Künste als Tänzer vorführen!“ Und zu mir gewandt fügte sie hinzu: „Weißt du eigentlich, dass er einmal einen Tanzkurs besucht hat? Das ist schon eine ganze Weile her. Na, dann zeig’ doch mal, was du noch so draufhast!“
    Christoph lächelte sie liebevoll an. Mir dagegen warf er einen tiefen Blick aus seinen Eisaugen zu. Mir schwante zu Gutes, weshalb ich mich lieber hinter den Sessel stellte, als mich neben Tante Melanie auf die Couch zu setzen. Dann fing er an, sich zur Musik zu bewegen, gekonnt rhythmisch, geschmeidig wie eine Katze und – wie ich fand – unglaublich sexy. Plötzlich glitt das Jackett von seinen Schultern. Oh Gott, das wurde ein Strip! Tante Melanie applaudierte und pfiff laut. Ich lachte, obgleich ich nervös wurde. Stück um Stück fiel zu Boden. Wie weit würde er gehen? 
    Der Rhythmus riss mich mit; ich war fasziniert, wie gut er die Musik in Bewegung umsetzte. Mit unverhohlenem Genuss betrachtete ich seinen muskulösen Körper, die sehnigen Arme, die breite Brust, den straffen Bauch. Er öffnete den Gürtel, zog ihn Stück für Stück aus den Schlaufen, sah mich dabei an. Sein Haar spielte unbändig um seine Schultern. Er legte den Gürtel in einer Hand zu einer Schlaufe und ließ sie plötzlich im Takt heftig durch die Luft sausen wie eine Peitsche. Mit seinem Blick peitschte er mich. Ich schloss die Augen und schluckte hart. Reiß dich zusammen, Jann! Aber es war ohnehin schon zu spät. Ich war froh, dass ich hinter der hohen Sessellehne stand.
    Schließlich stand er schwer atmend nur noch im Slip da. Sein langes Haar klebte ihm im Nacken, seine Schultern hoben und senkten sich in rascher Folge. Er wandte uns den Rücken zu, der mit tausend winzigen, funkelnden Schweißperlen übersät war, und zu meinem Entsetzen schob er langsam die Hände unter den Bund des Slips und begann, ihn abzustreifen. Nein, Christoph, tu das nicht, sonst weiß ich nicht, was bei mir passiert! Doch im nächsten Moment ertönte der Schlussakkord. Gleichzeitig warf Christoph übermütig den Kopf herum und schaute mir mit einem aufreizend verführerischen Blick direkt in die Augen.
    Für einen unerträglich langen Augenblick herrschte gespenstische Stille. Die Luft schien zu vibrieren – ob noch von dem kräftigen Bass der Musik oder der Erotik zwischen ihm und mir, konnte ich nicht sagen. Mein Herz raste, mein Mund war trocken, und die Hitze schien mich

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