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Wolkengaukler

Wolkengaukler

Titel: Wolkengaukler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anett Leunig
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Französisch gehalten werden sollte, auch das noch! – und den Beamer eingeschaltet. Jemand zog die Vorhänge zu und sperrte die spärliche Wintersonne ganz aus, so dass wir alle im Halbdunkel saßen.
    Ich konnte Celines Gesicht nicht mehr erkennen – nur ihre Augen, die das Licht des Beamers reflektierten, funkelten mich an. Irgendwie schien sie mich die ganze Zeit anzuschauen – vielleicht war ich auch der einzige, der so interessiert zurückschaute. Dieser Blick nahm mich gefangen. Ich hatte das Gefühl, etwas Bekanntes und Vertrautes zu sehen, aber gleichzeitig etwas Neues, aufregend Fremdes. Wie ein Bild eines Malers, von dem man schon einige andere Werke gesehen hatte. Wie ein Gedicht, dessen Schöpfer man schon unzählige Male in anderen Texten interpretiert hatte.
    Diese Augen ...
    Plötzlich blendend grelles Licht, ein Misston in meinen Ohren, Lärm, Gedrängel, ein Ellenbogen in meinen Rippen. „Träumst du mit offenen Augen? Komm, Alter, letzte Stunde, dann sind Ferien!“
    Mühsam rappelte ich mich hoch. Die Stunde war vorbei, der Vortrag zu Ende, und ich hatte kein Wort davon mitbekommen! Hoffentlich fiel es der Laraît nicht ein, dazu nach den Ferien einen Test zu schreiben! Ich sammelte meine Sachen zusammen und folgte Felix auf den Flur.
    Kurz bevor ich den Raum verließ, drehte ich mich noch einmal um. Celine stand mit einigen anderen Mädchen noch neben dem Beamer und wertete den Vortrag aus. In dem Moment, da ich zu ihr zurückblickte, schaute auch sie zu mir herüber. Eine Strähne hatte sich gelöst und fiel ihr locker über die Augen. Diamantaugen unter langem Haar, erregter Blick nach einem heißen Tanz – verdammt, Jann, du bist verrückt!
     
    Am Abend holte Felix mich ab. Sein Unmut schien verflogen, er freute sich mittlerweile auch auf die Party; zumindest darauf, an der Bar herumzuhängen und die Leute zu beobachten. Als wir ankamen, war die Party schon in vollem Gange. Die jüngeren Klassen mussten sich bereits verabschieden, die älteren Schüler eroberten gerade die Tanzfläche. Zuerst die Mädels, die zu den heißen und angesagten Rhythmen ‚abrockten’, wie Felix das nannte. Ich fand, dass das eher wie ein verrückter Flohzirkus aussah; aber okay, wenn es ihnen Spaß machte?!
    Die Weihnachtsfete vom letzten Jahr kam mir in den Sinn. Prompt fiel mein Blick auf Isabel. Sie stand an der Bar mit einem anderen Typen aus der Parallelklasse, der sie fest im Arm hielt und ab und zu auf die Wange küsste. Dabei glitt seine Hand wie zufällig auf ihren Po und streichelte ihn sanft. Lustmolch, spar dir das für später auf! Ich gönnte es ihr von Herzen.
    Wir drängelten uns zu unserem Stammplatz durch und verscheuchten ein paar Achtklässler von unserem Tisch, die sich schmollend trollten. Felix holte uns etwas zu trinken, während ich meinen Blick über die Tanzfläche gleiten ließ. Die Mädels aus meiner Klasse waren schon da, tanzten alle zusammen in einer großen Horde. Sie waren gestylt und geschminkt, manche nur ein bisschen, manche ein bisschen mehr als gewöhnlich und manche viel zu viel.
    Plötzlich ein Blitzen – da war sie! Ich wurde unruhig. Wieso fiel mein Blick immer wieder auf Celine? Ich beobachtete sie. Sie hatte einen ganz eigenen Tanzstil, rhythmisch pulsierend und gleichzeitig fließend weich. Ihr ganzer Körper schien sich zu bewegen, nicht nur die Beine oder Arme. Tanzte man so in Frankreich? Einige ihrer Freundinnen machten es ihr nach, aber längst nicht so gut wie sie. Als sie das merkte, vereinfachte sie ihre Bewegungen, und für eine Weile tanzten alle in einer Reihe, wie eine Art Popgymnastik: Arme nach vorne – Kopf in den Nacken – Schritt nach links und so weiter. Ich lachte. Es sah nicht schlecht aus, aber ihr eigener Stil gefiel mir besser.
    Auf einmal schien mir das Blut in den Adern zu gefrieren: sie sah mich an, direkt in meine Augen. Wieso? Ich stellte mein Glas ab und fixierte sie. Jetzt wollte ich es wissen. Sie gab dem Mädchen neben sich ein Zeichen, dann – kam sie auf mich zu! Felix, der neben mir saß und die Szene beobachtet hatte, sog geräuschvoll die Luft ein: „Was hat sie vor? Will sie dich etwa ...?“
    Er kam nicht weiter, denn jetzt stand Celine genau vor mir. Selbstbewusst fragte sie mich mit ihrem entwaffnenden französischen Akzent: „’ättest du Lust, mit mir zu tanzen?“ Aus den Augenwinkeln registrierte ich noch, dass Felix vergessen hatte, den Mund wieder zuzumachen, und hinter mir begannen die anderen zu pfeifen und

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