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Wolkengaukler

Wolkengaukler

Titel: Wolkengaukler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anett Leunig
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noch Zeit. Aber wenn es mal akut wird, werde ich euch die Person dann schon vorstellen, um die es mir geht.“
    Das war gut um den heißen Brei herum geredet: er hatte eine hübsche Blondine im Kopf und ich Christoph. Na wunderbar!
    Mein Vater sah mich noch eine Sekunde lang schweigend und wie prüfend an, dann brummte er zustimmend: „Hast Recht. Lass dir ruhig Zeit damit. Konzentriere dich erst einmal auf das Wesentliche, und das ist jetzt deine Schule und dann dein Studium. Ein Mädchen wird sich später schon noch finden.“ Damit konzentrierte er sich wieder auf das für ihn Wesentliche, und das war sein neues Steuerlexikon. Ich atmete stumm auf. Die erste Klippe hatte ich noch einmal ganz gekonnt umschifft. Der Heilige Abend war nun wirklich nicht der richtige Zeitpunkt gewesen, mit meinem Vater das für mich Wesentliche in meinem Leben auszudiskutieren. Aber die große Schlacht würde kommen, irgendwann und unausweichlich. Ich hoffte, dass ich sie dann nicht allein würde ausfechten müssen.

 
    VI
    Die erste Bombe platzte schließlich am Silvestermorgen. Ich saß am Küchentisch und half meiner Mutter, den Silvesterbraten vorzubereiten. Ich kochte gerne und war eigentlich von Kindesbeinen an in der Küche dabei gewesen, um ihr beim Kochen zuzusehen. Tante Melanie leistete uns Gesellschaft und übernahm die ‚Handlangerarbeiten’ wie Umrühren, Müll wegbringen, Abwaschen. Die Küche war das Reich der Hausherrin, hatte sie mit einem Augenzwinkern gesagt. Die beiden Frauen plauderten zwanglos miteinander, während ich die Kartoffeln schälte. Plötzlich schrak ich aus meinen Gedanken auf:
    „Was wünscht du dir eigentlich für das neue Jahr, Jann?“ Meine Mutter hatte über die Schulter zu mir gesprochen.
    Dass Christoph zurückkommt – aber das sollst du jetzt noch nicht hören. „Einen guten Jahresabschluss in der Schule, im Juni die Rettungsschwimmerprüfung bestehen, einen schönen Sommer – ich weiß nicht so recht ...“, wich ich aus.
    Mama war damit natürlich nicht zufrieden: „Ach Jann, das meine ich nicht. Willst du nicht mal was unternehmen, ich meine ....“, sie schien sich innerlich zu wappnen, „Wie sieht’s denn mit der Liebe aus? Meinst du nicht, da könnte sich mal was anbahnen?“
    Ach Gott, darauf wollte sie hinaus! Ich hätte nicht gedacht, dass sie sich vor Tante Melanie trauen würde, dieses Thema anzuschneiden – aber vielleicht tat sie es gerade deshalb.
    „Was meinst du denn damit?“ Ich versuchte, ihren Elan mit ein bisschen Begriffsstutzigkeit auszubremsen.
     „Gibt es denn kein Mädel bei euch in der Schule, das dir gefällt? Oder im Schwimmverein? Was ist denn mit eurer Gastschülerin, dieser kleinen Französin? Wo kommt sie genau her? Aus Brest? Das liegt doch in der Bretagne, glaube ich. Wie heißt sie gleich?“
    Holla, sie hatte sich ja schon eine Menge Gedanken über meine künftige Liaison gemacht! Ich schälte unbeirrt weiter an meiner Kartoffel: „Celine Dubêre.“ In nächsten Moment schepperte es am Spülbecken: Tante Melanie waren die Löffel aus der Hand geglitten, die sie gerade abtrocknete, und klirrend zu Boden gefallen. Mit einem leisen „Entschuldigung“ beugte sie sich rasch hinunter und sammelte alles wieder auf.
    Ich wandte mich wieder meiner Mutter zu: „Und sie ist nun weiß Gott nicht für mich gemacht!“ Das war mir herausgerutscht, bevor ich darüber nachgedacht hatte.
    „Wieso nicht? Du hast doch erzählt, sie wäre ganz nett!? Oder sieht sie nicht gut aus?“, hakte meine Mutter nach, froh, mich mit diesem Thema gefangen zu haben. Ich suchte so konzentriert nach einer plausiblen Antwort, dass ich erst einmal nicht mehr auf Tante Melanie achtete.
    „Ich weiß nicht, sie hat so etwas ....“ – ja, was nur? Was war nur an ihr, das mich so fesselte und gleichzeitig alle Alarmglocken in mir schrillen ließ? „Sie ist halt etwas Besonderes, da geht das nicht. Außerdem ist die halbe Klasse hinter ihr her, da habe ich sowieso keine Chance.“ Lügner, die willst du ja auch gar nicht! Aber der Rest stimmte.
    Mama seufzte theatralisch: „Hmm, ich könnte mir das eigentlich gut vorstellen, dass hier auch mal eine junge Frau mit dabei ist und so. Aber du hast ja noch viel Zeit.“
    Verdammt! War das jetzt der richtige, entscheidende Augenblick, um ihr die Wahrheit zu sagen? Ich atmete tief durch, legte das Messer auf den Tisch und stand langsam auf. Entweder gab es heute Abend Silvesterpunsch oder jetzt gleich ein Feuerwerk.
    Ich ging

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