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Wolkengaukler

Wolkengaukler

Titel: Wolkengaukler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anett Leunig
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sehr empört, „Für deine Keckheiten müsste ich dich eigentlich einfach mal übers Knie legen!“ – ein stechender Schmerz voller Lust und Sehnsucht durchfuhr meinen Körper von der Brust bis zu den Lenden – „und dann“, Christophs Stimme wurde plötzlich weich und lüstern: „kannst du dir ja vorstellen, was ich sonst noch mit dir machen würde ...“
    „Ja, ich weiß“, antwortete ich so ruhig, wie mir das mit der in mir aufwallenden Erregung gerade möglich war. „Aber dafür müsstest du erst einmal wieder nach Hause kommen.“ Der letzte Satz sollte noch verspielt und aufreizend klingen. Doch noch während ich die Worte aussprach, schlug mein Ton um und wurde ernst.
    Am anderen Ende der Leitung war es still. Mir wurde unangenehm kalt. Dann sagte ich leise in den Hörer: „Deine Mutter wartet hier auf dich, Christoph.“
    Noch immer Schweigen auf der anderen Seite. Ich hörte den Äther zwischen uns rauschen. Dann wieder seine Stimme: „Und du?“
    ‚Halte ihn fest, Jann. Wenn er zurückkommt, dann nur zu dir.’ Meine Antwort klang fest und entschlossen: „Ich auch.“
    Wieder Stille. Dann sagte er leise: „Okay. – Ich muss jetzt auflegen.“ Das war wieder keine eindeutige Antwort gewesen, kein Ja und kein Nein. Er hatte sich wohl noch immer nicht entschieden. Ich hörte ihn wieder: „Danke für dein kleines Weihnachtsgeschenk eben. Ich liebe dich.“
    Ich brauchte ein paar Sekunden, um zu begreifen, dass er damit meine letzten Worte gemeint hatte. Dann antwortete ich: „Ich dich auch.“ Ein leises Klicken, dann war die Leitung tot.
    Ich legte ebenfalls auf, drehte mich wie in Zeitlupe um und murmelte: „Schöne Grüße an alle ...“ Dabei sah ich langsam auf – und direkt in die erstaunten Augen meiner Mutter. In diesem Moment wurde mir klar, was ich da eigentlich gerade gesagt hatte: nicht ‚Dito’ wie sonst immer, sondern: ‚Ich dich auch’ – die Standardantwort auf eine Liebeserklärung! Ich wusste, dass es jetzt in ihr arbeitete wie in einem Uhrwerk. Und sie würde die Lösung dieses Rätsels finden, vielleicht schneller, als mir lieb war! Himmelherrgott!
    Mein Blick fiel auf Tante Melanie, die mich gerührt anlächelte und sich verstohlen eine Träne aus dem Augenwinkel wischte. Dann stand sie schwungvoll auf: „Komm, Moni, lass uns das Abendessen machen.“ Sie zog meine Mutter mit sich fort, die noch immer so perplex war, dass sie es sich wortlos gefallen ließ. Im Vorbeigehen strich mir meine Tante rasch über den Kopf und flüsterte: „Gut gemacht!“
    Ich ließ mich auf der Couch nieder. Von der eben durchlebten  Aufregung waren meine Knie plötzlich ganz weich geworden, und meine Hände zitterten.
    Mein Vater schien von alldem überhaupt nichts mitbekommen zu haben; konzentriert las er noch immer in seinem Steuerlexikon. Plötzlich blickte er mich über den Rand seiner Lesebrille hinweg an. Sein Blick tat mir ein bisschen weh, so, wie er mich taxierte, aber ich hielt still, weil ich gespannt war, was jetzt kommen würde. Schließlich lächelte er und fragte: „So, dann war es also nett zur Schulfete?“ Also hatte er doch ganz genau aufgepasst! Ich nickte unbestimmt. Worauf wollte er hinaus?
    Er schob nach: „Und du hast getanzt? Ich wusste gar nicht, dass du tanzen kannst?!“
    Du weißt so einiges von mir nicht, und ich werde dir das jetzt auch nicht erzählen. Nur ein Schulterzucken meinerseits.
    „Und, ist sie hübsch? Hat sie so ein bisschen, na ja, du weißt schon, an den richtigen Stellen ...“ Mein Vater grinste anzüglich. Wollte er jetzt ein intimes Gespräch mit mir führen, so von Vater zu Sohn? Demonstrativ klappte er sein Buch zu und beugte sich zu mir vor, als wollte er damit eine vertrauensvollere Atmosphäre für seine nächsten Worte schaffen: „Habt ihr euch schon geküsst? Ich will nicht neugierig sein, aber du weißt, es gibt da bestimmte Dinge, die man beachten muss ...“
    Beim Küssen?! Oder meinte er etwas anderes? Trotzdem fand ich seine Strategie amüsant: Sexualaufklärung am Heiligen Abend, und das mit siebzehn! Vater, da bist du leider ein paar Jahre zu spät dran, denn  die Aufklärung habe ich bereits hinter mir, und alles andere auch.
    Ich schüttelte lässig den Kopf: „Papa, nun brich dir mal keinen ab, darüber weiß ich schon Bescheid. Ansonsten läuft bei mir mit Mädchen nichts.“ Seine fragende Miene ließ mich meine unbedachten Worte  rasch selbst korrigieren: „Noch nichts. Und du sagst ja auch immer, das hat

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