Wolkentaenzerin
Er löste seine Schürze und zog sie sich über den Kopf. »Außerdem siehst du auch aus, als könntest du einen Drink vertragen. Ich will ja nicht taktlos sein, meine Liebe, aber du siehst nicht aus wie du selbst. Hast du dir wieder einen billigen Haarschnitt verpassen lassen?«
»Danke für die Blumen.«
Sie fuhr sich mit der Hand durch ihren ungekämmten Bob, der wirklich einen Friseur vertragen konnte. »Nein, ist nur rausgewachsen.«
Max schaltete das Licht in der Küche aus und drehte sich um, um den Vorhang für sie zur Seite zu halten.
»Hast du abgenommen?«
»Nö.«
Er musterte sie, als sie an ihm vorbeiging, und legte ihr eine Hand auf den Rücken. »Du siehst ganz erschöpft aus. Du solltest ein bisschen Wimperntusche auftragen oder so.«
»Ja, genau, den Kindern ist es total wichtig, dass meine Wimpern viel Volumen haben.«
»Fang ja nicht damit an, dich gehenzulassen. Du darfst dich von den ganzen dummen Puten nicht unterkriegen lassen.«
Durch und durch ein Produkt der Siebziger, besaß Max noch immer ein T-Shirt mit dem Cartoon von Sandra Boynton, dem Truthahn mit seinem Markenzeichen, dem gleichgültigen Blick. Das T-Shirt war am Hals schon zerfleddert, doch Max nannte es ein antikes Werk post-ironischen Ausdrucks. Er nannte alle altmodischen Kleidungsstücke, von denen er sich nicht trennen wollte, Werke post-ironischen Ausdrucks.
»Nein, wirklich nicht«, bekräftigte er leise, als er die Tür hinter ihnen zuzog. »Man darf sich von den ganzen dummen Puten nicht unterkriegen lassen.«
Die alte Kneipe war schon so lange Kate zurückdenken konnte kurz vorm Einstürzen, so gefährlich nah wie sie am Kanal stand. Jedes Mal wenn Kate eintrat, überkam sie das beunruhigende Gefühl, dass das gesamte Gebäude umkippen und versinken würde, wenn zu viele Gäste auf einmal im hinteren Teil der Bar säßen.
»Kate! Max erzählte, dass du vielleicht auch hier draußen auf der Insel bist.« Fiona winkte und ließ das Platin und die Edelsteine auf ihrer Armbanduhr aufblitzen. Sie hatte sich die Haare lang wachsen lassen und trug sogar Lippenstift. Kate hätte sie nicht wiedererkannt.
»Du erinnerst dich an meinen Mann Charles?«
Er saß neben Fiona mit gegeltem Haar so steif wie sein Hemd mit Button-Down-Kragen.
Auf der Kochschule wurde Fiona wegen ihres harten Umgangstons von allen nur Sergeant genannt. Sie hatte kurzes Haar, militärisch kurz, und ihre Augen, die Ihr könnt mich alle mal sagten, sprühten vor Freiheit. Ein paar Jahre nach der Schule hörte Kate, dass sie einen Journalisten geheiratet hatte, der bei einem Wirtschaftsmagazin für Aktien und Wertpapiere zuständig war. Die Freunde, die zur Hochzeit eingeladen waren, amüsierten sich unendlich darüber, dass der Sergeant nicht nur geheiratet hatte, sondern dazu auch noch einen Wirtschaftsjournalisten, einen Wichtigtuer, der im Finanzbereich nicht besonders glänzte, außer damit, dass sein Name zufällig der gleiche war wie der eines großen Investors. Also wirklich, ein Finanzreporter namens Charles Schwab.
Kate hatte sich einmal mit ihnen getroffen, noch zu Anfang ihrer Ehe. Mittlerweile hatten sie ein Kind und lebten in einem Bostoner Vorort. Fiona arbeitete in der Küche des spießigsten französischen Restaurants der Stadt und lackierte sich die Zehennägel pink. Ein Beweis dafür, nahm Kate an, dass man sich mit genügend Willenskraft in jemand anderen verwandeln konnte.
Sie brachten einander mit höflichem Geplänkel auf den neuesten Stand. So wie Fiona herumscherzte, wusste sie offensichtlich nicht, wie es Max gerade ging. Kate sah weg, während er vage Antworten auf Fragen über seine Bäckerei und Zukunftspläne gab. In der ersten Gesprächspause gab Max dem Barkeeper ein Zeichen. »Zwei Martini bitte.« Er schob Kate eine Serviette zu.
»Danke, Max, ich nehme nur ein Bier«, wehrte Kate ab.
»Seit wann trinkst du Bier? Das geht mit mehr Stil, trink was für Erwachsene.«
Kate zuckte die Schultern. Es war lange her, seitdem sie einen richtigen Drink getrunken hatte.
»Mit Olive oder Zeste?«, fragte er sie.
»Zeste.« Selbst das Wort fühlte sich mit einem Mal komisch an in ihrem Mund, als würde jemand anders es aussprechen.
»Habe ich richtig gehört, dass ihr nach Washington gezogen seid?«, erkundigte sich Fiona.
»Ja, vor zwei Jahren. Chris’ Firma wollte, dass er bei ihnen am Hauptsitz arbeitet.«
Fiona nickte. »Und wo arbeitest du jetzt?« In Fionas Kopf war schon immer eine Datenbank von Restaurants
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