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Wolkentaenzerin

Wolkentaenzerin

Titel: Wolkentaenzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nichole Bernier
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wahnsinnig geworden. Alles auf Zeit, und seine Küchengerätschaften tauchten in falschen Schubladen oder im Kühlschrank auf. Er war so auf 180, er lief schon dunkelrot an.«
    Kate warf den Kopf zurück und lachte lauthals. In der ganzen Kneipe drehten sich Köpfe nach ihr um. Gott, das hatte sie vergessen! Die fünfzehn Jahre, die seit der Kochschule vergangen waren, fühlten sich an wie tausend. Damals hatte sie so viel gebacken und gekocht, dass ihre aufgesprungenen Hände nicht mehr verheilten. Aber sie hatte es so sehr genossen! Nie mehr war die Zeit so schnell vergangen wie in den Stunden, wenn sie ein Menü zusammenstellte.
    »Hinterhältige Frau«, schalt Max sie. »Deine armen Kinder sind verflucht.«
    Kate neigte den Kopf und lachte immer noch leise. »Es war wirklich gemein. Aber der Typ war furchtbar, wie ein kleiner Napoleon.«
    Auch das Gemeinschaftsgefühl in der Schule und den Restaurants schien einmalig gewesen zu sein. Die Emotionen kochten hoch, alles war unmittelbar und echt, niemand nahm ein Blatt vor den Mund. Selbst ihre Scherze waren rau und ehrlich gewesen. Heute war niemand mehr wirklich offensiv-witzig und geradeheraus oder zurechtweisend, wenn jemand zu weit ging. Gegenseitige Sozialkontrolle. Alles in Kates Welt war eng und subtil geworden, kleine passiv-aggressive Sticheleien. Ihr war es anders lieber. Da wusste man zumindest, woran man war.
    Sie dachte an Elizabeth, die ihrem Exfreund die Meinung gesagt hatte, als er ihre Arbeit kritisierte, und an die unvermittelte Trennung. Das entsprach eigentlich auch Kate – erst handeln, dann über die Konsequenzen nachdenken. Elizabeth war in dieser Zeit aufrichtig und frei gewesen. Etwas, das Kate ihr nie zugetraut hätte. Doch sie hatte den Eindruck, dass es gerade im Begriff war, zu verschwinden. Wie seltsam, dass sie das traurig stimmte. Sie hatte Elizabeth damals nicht gekannt und würde niemals das Ausmaß dessen kennen, was verlorengegangen war.
    »Ich habe gehört, dass Jasper sogar noch schlimmer geworden ist, seitdem er sein eigenes Restaurant eröffnet hat«, mutmaßte Max.
    »Aber hast du mitbekommen, was er jetzt macht?«, fragte Fiona. »Er spendet zehn Prozent seines Gewinns an Familien, die von den Terroranschlägen betroffen sind.«
    »Jasper Friedling ? Der Mann, der einem nicht einmal Kleingeld für den Kaffeeautomaten geben wollte?«
    Kate konnte es nicht glauben.
    »Der Vater einer der Freundinnen seiner Tochter hatte einen Verkaufsstand im World Trade Center. Er hatte fünf Kinder und bekam keine Vorsorgeleistungen. Jasper hat mit ihnen angefangen und der Ehefrau zehn Prozent vom Gewinn einer Woche gegeben. Jetzt spendet er jede Woche an eine andere Familie.«
    Kate spielte mit ihrem Glas. Ihr Lächeln schwand. Sie hatte so viele Lebensläufe gelesen und konnte sich diesen Mann gut vorstellen. Ein Vater mit seinem Verkaufsstand. Vielleicht war er nur einen Augenblick zu lange geblieben, vielleicht wollte er seinen Stand nicht verlassen – Lebensmittel oder Blumen, imitierte Designerhandtaschen. Hatte sich Sorgen gemacht, dass er die nächsten fünf Paar Turnschuhe nicht bezahlen könnte, wenn er seine Waren zurückließ, und so war er nicht gerannt, als er noch die Gelegenheit dazu hatte. Kate schob den Gedanken beiseite, sie wollte ihn nicht der Sammlung der Nachrufe und Schnappschüsse hinzufügen, die so erschütternd waren in ihrer mächtigen Kürze. Als sie die Nachrufe und andere Nachrichten gelesen hatte, war ihr klargeworden, dass die Stadt, die sie vermisste, die Elizabeth und sie geformt hatte, nicht mehr existierte.
    »Kaum zu glauben. Jasper Friedling als wohltätiger Spender«, sagte Max. »Wer hätte das gedacht?«
    Fiona strich mit einem sorgfältig manikürten Fingernagel die Kanten ihrer Serviette platt. Charles seufzte und griff nach einer Schale Nüsschen. Niemand sprach. Das war meistens der Fall, wenn dieser Tag erwähnt wurde. Kanntest du jemanden, der … Mein Schwager arbeitete …
    Max hob sein Glas, um die Aufmerksamkeit des Barkeepers auf sich zu ziehen, und wandte sich an Kate.
    »Noch einen?«
    Sie sah auf die Uhr. Sechs. »Danke, nein. Ich muss los.« Sie versuchte, Max Geld dazulassen, doch er winkte ab.
    »Denk dran«, erinnerte er sie. »Nächste Woche: Tartes.«
    Auf der Straße wurde sie vom Licht geblendet, das im Gegensatz zur gedimmten Beleuchtung in der Kneipe grell wirkte. Während sie versuchte, sich zu orientieren, erklang über ihr ein lautes Dröhnen. Sie zuckte zusammen und

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