Wolkentaenzerin
Kissen auf und hielt ihm ein Glas Wasser an den Mund. Er trank mit verschlafenen Augen und ohne seine Mutter oder das Glas wirklich wahrzunehmen.
Als Kate zur Spielgruppe dazugekommen war, waren die Frauen ihr zunächst etwas affektiert vorgekommen, aber nicht verurteilend. Vielleicht waren sie zu Beginn steifer gewesen, bevor Kate dazugestoßen war. Sie konnte sich Brittain vorstellen, deren Ängste sie erst später kennengelernt hatte, wie sie das beste Geschirr für ihr erstes Treffen herausholte. Vielleicht war Elizabeth in den ersten Monaten als Mutter im Vorort auch noch so unsicher gewesen, dass sie sich isolierter gefühlt hatte, als sie tatsächlich war oder als ihr guttat. Glücklicherweise hatte sie sich schnell in die Gruppe eingefunden. Als Kate zehn Monate später nach Southbrook kam, war Elizabeth praktisch zur Anführerin geworden.
Kate streichelte James übers Haar, bis er das Wasser ausgetrunken hatte, und nachdem er sich wieder auf das Kissen gelegt hatte, blieb sie, bis sein Atem ruhig und gleichmäßig wurde. Sie wartete ab, bis seine Augen geschlossen waren, bevor sie leise zur Tür ging. Wenn die Kinder nachts aufwachten, krank oder erhitzt von Alpträumen, wollte sie nicht, dass sie mitbekamen, wie sie das Zimmer verließ.
13. März 1996
Heute war ich Gastgeberin für die Spielgruppe, wir haben uns alle ins Multifunktions-Wohnzimmer in unserem winzigen Häuschen gequetscht. Ich habe alle Register gezogen – kleine Handtücher und ein kleines Bonsaibäumchen für das Badezimmer unten gekauft, ein paar zusammenpassende Kaffeetassen und haufenweise koffeinfreien Kaffee besorgt. Bin ganz stolz auf unser kleines Heim, herausgeputzt wie zum Abschlussball.
»Was macht denn dein Mann beruflich?«, hat Brittain mich gefragt und dabei im Flur herumgeschaut, um den Rest zu sehen, bis ihr dann klarwurde, dass das schon alles war. Als ich ihnen erzählte, dass er Profigolfer ist (allerdings niemand, den sie kannten), taten sie so, als wäre es unheimlich goldig, ein Mann, der seinem Hobby nachgeht, als würde er Porzellan im Keller zerdeppern und es an der Straßenecke verkaufen.
Petra ging als Letzte und half mir dabei, die Küche und das Spielzimmer aufzuräumen. Sie kommt ursprünglich aus Italien, und wir haben ein bisschen Italienisch gesprochen. Mein Jahr in Florenz ist also nicht ganz spurlos an mir vorübergegangen. Wir haben noch einen Kaffee zusammen getrunken (»caffè normale, grazie a Dio«), während die Babys in ihren Wippen lagen. Ich habe ihr gesagt, dass ich so müde bin, ich könnte einfach hier im Sitzen einschlafen, mit dem Gesicht auf der Tischplatte. Dass keine sonst aus der Spielgruppe erschöpft oder ungeduscht wirkt, sondern einfach nur überglücklich.
»Na ja, belle dal fuori«, hat sie nur gesagt. Schöner Schein. »Was soll man machen?«
Ich hätte sie küssen können.
6. April 1996, 23.30 Uhr
Die Feuerwehr ist gerade wieder abgefahren, immer noch mit blinkendem Blaulicht. Ich weiß nicht, ob ich lachen oder weinen soll. Deswegen trinke ich jetzt ein Glas Merlot und mache ein bisschen von beidem. Nachdem ich Jonah zu Bett gebracht hatte, habe ich den Wickeltisch aufgeräumt, und dabei ist mir das Thermometer heruntergefallen, so ein altes mit Quecksilber drin. Es ist auf dem Holzboden zerbrochen. Als ich die Scherben aufhob, konnte ich kein Quecksilber entdecken. Ah, gut, dachte ich, das muss irgendwie noch geschützt sein mit einer zusätzlichen Kammer. Aber nein. Ich konnte es nicht entdecken, weil es IN KLEINEN SILBERNEN KÜGELCHEN ÜBER DEN GANZEN FUSSBODEN ROLLTE.
Ich habe kürzlich erst gelesen, dass in manchen Staaten überlegt wird, Quecksilberthermometer zu verbieten. Und dann dachte ich plötzlich: Wenn es so giftig ist, verteilt es sich dann womöglich auch in der Luft? Was, wenn ich es wie einen Virus freigesetzt habe und winzige Quecksilberpartikel gerade jetzt bereits in Jonahs Lunge strömen? Da habe ich den Notruf angerufen. Fassen Sie nichts an und bewegen Sie nichts, hat er mir gesagt, vor allem nicht den Säugling. Sie würden eine Mannschaft losschicken, ist die Haustür abgeschlossen?
Keine drei Minuten später hörte ich schon die Sirene und sah dann das Blaulicht durch das Fenster und auf der Wand im Kinderzimmer. Dreimal klopfte es an der Tür, dann ein: »Mrs Martin, wir kommen jetzt rein.« Schwere Schritte kamen die Treppe hoch, und drei Männer in gelben Schutzanzügen mit Kapuze standen in der Tür. Ich hätte mir vor Lachen in die Hose
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