Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wolkentaenzerin

Wolkentaenzerin

Titel: Wolkentaenzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nichole Bernier
Vom Netzwerk:
sich lehnte und die unter ihrem Bauch drapiert waren wie der Gürtel eines Mönchs. Sie hatte die Hände vor ihrem geöffneten Mund zusammengelegt wie zum Gebet, aber in ihren weit aufgerissenen Augen lag eine neue Erkenntnis. Das Foto war geschossen worden, als aus Hoffnung gerade Jubel wurde.
22. Januar 1996
Vor sechs Tagen kam Jonah William Martin auf die Welt, neun Tage nach Termin. Die Wehen setzten gerade ein, als Dave in den Flieger von Tucson nach Hause stieg. Was sich eigentlich nach perfektem Timing anhört, allerdings kam Jonah erst sechsunddreißig Stunden später, gerade noch rechtzeitig, um seinen Dad zu sehen, bevor der nach Palm Springs musste. Gestern ist er wiedergekommen, morgen geht’s wieder weiter. Ich kann Verständnis dafür aufbringen, dass er voll und ganz bei den Turnieren dabei sein muss, dass er seine Karte nicht verlieren will usw. Aber gefallen muss es mir nicht. Spielverderberin darf ich allerdings auch nicht sein.
Das Baby ist so faszinierend, nur Instinkte und Natur pur. Wie er blinzelt und sich bemüht, mich anzusehen, die fuchtelnden Fäuste und Hühnerbeinchen und die knochigen kleinen Fersen. Eines seiner Ohren ist ein bisschen zusammengeklappt, als wäre es beim Wachsen so hingedrückt worden. Wenn er schläft, verschwindet seine Unterlippe unter einem Überbiss. Ich kann gar nicht aufhören, ihn anzusehen.
15. Februar 1996
War auf dem ersten Spielgruppen-Treffen der neu Zugezogenen, die mir zugeteilt wurde, acht Mütter, mittwochs morgens. Da sollen die Kinder auf dem Boden rumrollen und kleine Freunde finden und die Mütter sich gemeinsam um Halloweenpartys und Geburtstagsfeiern kümmern. Heute fand es bei Brittain zu Hause statt. Das Haus ist gewaltig und voller skulpturartiger Möbelstücke, die bestimmt nach einem französischen König benannt wurden und nicht in irgendeine Kategorie im Katalog von Pottery Barn gehören. Wir saßen im Kreis auf dem Boden im Spielzimmer mit unseren Babys auf Decken vor uns, als wären wir in einer postpartalen Geburtshilfe-Gruppe.
Anscheinend gibt es lauter Verbote und Gepflogenheiten, die ich beherzigen sollte, von denen ich noch nie gehört habe. Stoffwindeln statt Pampers aus dem Supermarkt benutzen, wegen der Chemikalien und der rauen Fasern. Impfungen in Frage stellen, auch wenn der Kinderarzt einem dazu rät und der Staat es vorschreibt. Schon jetzt das Kind im Kindergarten anmelden, sonst wird es auf ewig in einer Imbissbude arbeiten. Sie waren alle sehr nett, wenn auch ein bisschen anstrengend, aber sie haben die ganze Zeit nur über Baby-Themen gesprochen. Keine von ihnen hat auch nur irgendwas von ihren eigenen Interessen oder ihrer Arbeit erzählt (es hört sich auch so an, als ob keine weiterarbeiten wird), und als ich von meiner erzählt habe, haben sie zwar höflich reagiert, zeigten aber eigentlich kein großes Interesse.
Kaffee gab’s in handbemalten großen Bechern, koffeinfrei, als wär das selbstverständlich, weil alle stillen. Ich habe wohl das Memo nicht erhalten, denn ich habe den Fauxpas begangen, nach normalem Kaffee zu fragen. Brittain hatte nicht mal normalen gekocht. Nachdem sie dann extra welchen für mich gekocht hatte, obwohl ich ihr versicherte, dass koffeinfrei auch in Ordnung sei, starrten alle auf meinen Becher, als sie mir einschenkte. Dann sagte Petra: »Gib mir auch noch ein bisschen davon dazu, das hört sich gut an.« Danke, Petra.
Ich hatte das Gefühl, die Einzige zu sein, die von der Mutterrolle verunsichert ist, weil niemand über die Themen sprach, über die ich mir die ganze Zeit Gedanken mache. Zum Beispiel, ob sie ihr altes Leben vermissen oder ob sie ihre Kinder ansehen und sich fragen, ob das eine oder andere Merkmal sich mit der Zeit verflüchtigt oder sich zu etwas ganz Scheußlichem entwickelt. Ob noch eine von ihnen das Bedürfnis verspürt, ihren Mann mit dem Windeleimer zu verprügeln, wenn er nicht aufwacht, wenn das Baby weint. Oder ob sie manchmal, anstatt von Liebe erfüllt zu sein und jeden Augenblick damit zubringen zu wollen, dieses kleine Wunder zu halten, das man erschaffen hat, einfach die Zeit zurückdrehen wollen, um nur eine Stunde lang nicht berührt, geweckt, gebraucht zu werden.
    Kate hörte ein Husten aus dem Kinderzimmer. James hatte den ganzen Tag über schon gereizte Bronchien gehabt. Bisher war es nur ein trockener Husten gewesen, der nicht besonders tief ging, und sie hoffte, er würde nicht schlimmer werden. Sie ging hinunter, richtete ihn ein wenig auf dem

Weitere Kostenlose Bücher