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Wolkentöchter

Wolkentöchter

Titel: Wolkentöchter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Xinran
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zunächst nach ihrer Familie. »Wie geht es Ihren Schwiegereltern?«
    »Sehr gut, danke.«
    »Arbeiten sie noch immer in der Landwirtschaft?«
    »Fleißiger denn je.«
    »Warum?«
    »Weil alle Männer des Dorfes fortgegangen sind, um sich in der Stadt Arbeit zu suchen. Wie mein Mann jetzt.«
    »Dann sind nur noch die Frauen da?«
    »Bloß die Alten und die Kinder arbeiten noch auf dem Land. Dieses Jahr sind zum ersten Mal auch die Frauen weggegangen.«
    »Kommen die Alten und Kinder denn zurecht?«
    »Sie müssen. Die Arbeiter kommen zurück, um bei der Ernte zu helfen, falls ihre Familien nah genug an einer Straße leben. Aber wenn das Dorf sehr abgelegen ist, dann haben sie ein Problem. Wenn sie ihre Felder nicht bestellen, nimmt die Dorfverwaltung ihnen das Land weg. Wenn sie das, was sie angepflanzt haben, nicht ernten, bekommen sie die Getreideration nicht, und das Land wird ihnen zudem weggenommen. Wie sollen sie da überleben?«
    »Jetzt, wo Sie beide fort sind, machen Ihre Schwiegereltern da die ganze Arbeit allein?«
    »Es geht nicht anders. Dieses Jahr hat die Verwaltung zum ersten Mal gesagt, wer kein Land hat, darf sich Arbeit in der Stadt suchen. Wir müssen dahin, wo die Arbeit ist. Das hat mein Schwiegervater gesagt. Und wenn die Familie keinen Sohn hat, hat sie auch keine Wurzeln. Man kann niemandem mehr in die Augen schauen, man ist zu nichts nütze. Wenn die Familie keine Wurzeln hat, dann ist sie am Ende. Also hat mein Schwiegervater gesagt, wir sollten fortgehen und mit einem Sohn zurückkommen.
    Wir wollten uns das Getuschel der anderen Dorfbewohner nicht anhören, also sind wir nicht zu den Baustellen gegangen, auf denen sie arbeiten. Mein Schwiegervater meinte, dass die Menschen in den großen Städten gebildet sind und dass wir hierhergehen sollten. Wir haben nicht vor, Sie um Hilfe zu bitten, mein Mann hat schon Arbeit gefunden. Aber eines möchte ich Sie fragen. Können Sie mir sagen, wie ich einen Jungen bekommen kann?«
    »Ich?« Wahrheitsgemäß antwortete ich, dass ich über derlei Kenntnisse nicht verfüge, dass ich aber vielfach von Leuten in der Stadt gehörte habe, man könne das Geschlecht des Babys daran ablesen, was die Mutter während der Schwangerschaft gern isst: saures Essen gleich Junge; scharfes würziges Essen gleich Mädchen. Ich hatte auch gehört, dass es bestimmte Kräuter gab, deren Einnahme angeblich half, mit einem Jungen schwanger zu werden. Ich selbst hatte es nie ausprobiert, daher wusste ich nicht, ob es tatsächlich funktionierte. Ich riet ihr, sich Arbeit auf dem Markt zu suchen, wo sie Gemüse putzen oder Hühner schlachten konnte. Dort würde sie vielleicht jemanden finden, der ein paar Tipps für sie hatte. Aber ich sagte ihr auch, dass es für nichts eine Garantie gebe.
    »Denken Sie noch manchmal an Ihre Tochter?«, fragte ich sie. Sie wusste, dass ich das Baby im Klosetteimer meinte.
    »Natürlich! Das war mein erstes Kind, und ich hab sie nicht mal zu Gesicht bekommen. Ich hab sie bloß zweimal leise quaken hören, und dann hat man sie weggeworfen.« Sie klang verärgert, aber nicht besonders traurig.
    »Und inzwischen haben Sie keinen Sohn bekommen?«
    »Nein, sonst wären wir niemals von zu Hause weggegangen. Aber im Dorf wurde so viel über uns geredet, es war unerträglich.« Sie ließ den Kopf hängen und schien beschämt, als hätte sie etwas Falsches getan.
    »Heißt das, Sie sind nicht mehr schwanger geworden?« Ich befürchtete, dass Sie vielleicht irgendwie verletzt worden war und nun keine Kinder mehr bekommen konnte.
    »Ich hab noch zwei zur Welt gebracht, aber das waren wieder Mädchen, und mein Schwiegervater hat sie Ausländern gegeben«, sagte sie hilflos. Auch jetzt war auf ihrem Gesicht keine Traurigkeit zu erkennen, aber ich fragte mich, was sie wohl tief in ihrem Innern empfand, wie sie den Verlust verkraftete.
    »Sie Ausländern gegeben? Was soll das heißen?« Dass Ausländer chinesische Kinder adoptierten, hatte ich bis dahin noch nie gehört, weil in den chinesischen Medien nicht darüber berichtet wurde.
    »Meine Schwiegereltern meinten, es wäre besser, sie von Ausländern adoptieren zu lassen, statt sie zu töten. Dann wären sie irgendwo weit weg, und keiner wüsste was von ihnen. Nachdem wir das erste Mädchen erledigt hatten, hab ich das Dorf verlassen und mich woanders versteckt, um die nächsten beiden zu bekommen. Den Nachbarn haben wir einfach erzählt, wir würden uns in der Stadt Arbeit suchen. Wir dachten, wir würden

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