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Wolkentöchter

Wolkentöchter

Titel: Wolkentöchter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Xinran
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ist, das Geburtstag hatte. Aber als die Geburtstagstorte angeschnitten wurde, stand sie auf einmal da in der Ecke, als hätte sie vergessen, was sie tun sollte. Ich dachte, es liegt daran, dass sie vom Land kommt und noch nie eine Geburtstagsfeier in der Stadt gesehen hat, also hab ich sie in Ruhe zuschauen lassen. Damit sie bei der nächsten Geburtstagsfeier weiß, wie so was abläuft.
    Ich hab mir nichts weiter dabei gedacht. Aber als die Gäste gingen, war sie verschwunden. Ich hab sie dann in dem Durchgang gefunden. Sie lag über die Kisten gebeugt, erbrach weißen Schaum und hatte Krämpfe. Sie wirkte völlig wirr. Ich hab sie gefragt, was denn los sei, aber sie hat nicht geantwortet. Schließlich hab ich es mit der Angst bekommen, ich hab sie umgedreht und angeschrien. Unter ihr kamen zwei Flaschen zum Vorschein, eine mit Natronlauge, die wir zum Reinigen der Kutteln verwenden, die andere enthielt Spülmittel. Und da wurde mir klar, dass sie davon getrunken hatte, dass sie versucht hatte, sich umzubringen.
    Wir hatten schreckliche Angst und haben den Krankenwagen gerufen. Aber die meinten, der Wagen käme nicht durch unsere kleine Straße, also hat mein Mann sie auf dem Rücken zur Hauptstraße getragen. Fast wollten sie sie nicht mitnehmen, weil er nicht genug Bargeld dabeihatte. Die verdammten Krankenhäuser heutzutage, was bilden die sich eigentlich ein! Wo ist bloß die ärztliche Verantwortung geblieben? Wenn du krank bist und hast nicht genug Geld? Vergiss es! Die lassen dich nicht mal rein, und behandeln tun sie dich schon gar nicht.
    Aber genug davon! Ich hab Ying eine Nachricht auf ihren Pager geschickt. Ihr Freund hat auch ein Lokal, also haben sie abends genug Bargeld, und zum Glück ist sie dann direkt zum Krankenhaus. Die Ärzte meinten, dass Kumei keine tödliche Dosis geschluckt hat, weil das Zeug nicht sehr konzentriert war – das Spülmittel hat sich mit der Natronlauge vermischt und sie verdünnt, so dass Kumei nicht in Lebensgefahr ist. Aber ihre Magenschleimhaut könnte geschädigt worden sein. Sie wollten ihr den Magen auspumpen und sie dann nach Hause schicken. Sie müsste von nun an gut aufpassen, was sie isst. Aber wir hatten Angst, dass vielleicht doch noch irgendwas anderes mit ihr nicht stimmt, deshalb haben wir dafür gesorgt, dass sie sie über Nacht dabehalten. Die Ärzte von der Tagesschicht sollen sie noch mal untersuchen und uns dann sagen, ob sie entlassen werden kann.
    Das Ganze war einfach furchtbar! Also warum sollen wir es der Polizei melden? Wir haben ja keine Ahnung, warum sie es getan hat. Meinen Sie nicht, der Anblick einer Polizeiuniform könnte ihr noch mehr Angst einjagen? Die Leute vom Land werden schon nervös, wenn sie elegant gekleidete Städter sehen, und bei jeder Uniform denken sie gleich, es ist die Polizei. Kumei auch. Einmal sind zwei Sicherheitsleute reingekommen, die für eine Firma hier den Fahrradparkplatz bewachen. Sie hat sich prompt in der Küche versteckt und wollte nicht rauskommen. Sie hat gedacht, die beiden wollten sie abholen.«
    Ich vermutete, dass Kumei aus irgendwelchen Gründen ein schlechtes Gewissen hatte, und stellte weitere Fragen. »Haben Sie denn keine befristete Aufenthaltserlaubnis für sie beantragt?« Daraufhin warf Minguangs Mann seiner Frau einen Blick zu, stand auf und trug schmutziges Geschirr nach draußen.
    Minguang sah ihrem Mann hinterher und sagte: »Er hat auch gesagt, ich sollte das machen. Wir haben uns ordentlich in die Haare gekriegt deswegen. Es hätte doch nur zusätzliche Kosten für das Lokal bedeutet. Meinen Sie etwa, alles genau nach Vorschrift zu machen ist so einfach? Von wegen! Es ist gar nicht klar, was wir machen müssten oder welche Papiere Kumei braucht. Gar nicht zu reden von dem Geld, das wir Leuten bezahlen müssten, damit sie es regeln. Aber an welche Stelle wendet man sich da eigentlich? Zu Hause auf dem Land hat sie nie so eine Bescheinigung mit rotem Briefkopf bekommen. (Juristische und staatliche Dokumente haben immer einen roten Briefkopf.) Sie hat bloß so einen Wisch vom örtlichen Finanzamt, und ich schätze, das waren auch alles Analphabeten, die keinen Schimmer hatten, welcher Stempel wofür benutzt wird. Wahrscheinlich haben sie ihr den nur ausgestellt, um sie loszuwerden. Meine Nichte war auch keine große Hilfe, um das zu klären.
    Und da ist noch was: Selbst wenn es einem wider Erwarten gelingt, sie anzumelden, wer weiß denn, ob sie nicht eines Tages sang- und klanglos wieder

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