Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wollmann widersetzt sich: Roman (German Edition)

Wollmann widersetzt sich: Roman (German Edition)

Titel: Wollmann widersetzt sich: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Beldt
Vom Netzwerk:
hatten keinen anderen mehr«, fügte er bedauernd hinzu, was ich ihm aber nicht glaubte.
    »Hinten links sind die Umkleidekabinen«, erklärte er, »du kannst dann direkt zu Platz sechs kommen.« Er hatte nicht sechs , sondern sex gesagt, was mir natürlich nicht entgangen war.
    In der Umkleidekabine packte ich meine Sportsachen aus. Die kurze blaue Sporthose stammte aus der Zeit, als ich den allerdings nur eine Woche andauernden Drang verspürt hatte, mich zu Hause nach der Arbeit noch ein wenig körperlich zu betätigen. Kniebeugen und Liegestütze. Dazu benötigte ich eine komplette Sportausrüstung, um die Sache überhaupt ernst zu nehmen. Nach zwei Tagen begann ich die ersten Übungen aus meinem Sportprogramm zu streichen. Nach vier Tagen war nur Armkreiseln übrig geblieben, und nach sechs Tagen reichte schon das Tragen der Turnschuhe, in denen ich mir das Abendessen zubereitete.
    Ich zog mich um und verstaute die Sachen im Spind. Als ich mich im Spiegel betrachtete, wusste ich, dass Gunnar keine Sekunde daran zweifeln würde, dass ich ein Sportcenter noch nie von innen gesehen hatte.
    Gunnar machte sich bereits warm, als ich den hallenartigen Raum betrat, und schlug die Bälle mit beachtlichem Tempo gegen die große Wand.
    »Dann wollen wir mal«, sagte ich unbekümmert zu Jutta, die auf Gunnars Sporttasche neben der Tür hockte und gebannt die harten Aufschläge ihres Mitarbeiters verfolgte. Was genau ich hier wollte, wurde mir jedoch von Sekunde zu Sekunde rätselhafter.
    »Wie lange haben wir?«, fragte ich Gunnar, als wäre das die einzig wichtige Frage, die in diesem Zusammenhang noch zu klären war.
    »Eine Dreiviertelstunde«, keuchte er.
    Wenn man die Zeit, die er hier schon allein gespielt hatte, abzog, waren es vielleicht nur noch fünfunddreißig Minuten.
    Ich nahm einen Ball, warf ihn hoch und schlug zu. Der Schläger sauste durch die Luft, ohne den Ball je berührt zu haben. Davon ließ ich mich aber keineswegs beirren, zumal Jutta alles genau verfolgte, und wiederholte das Ganze noch einmal.
    Ich verfehlte den Ball nur knapp.
    Beim dritten Mal ließ ich mir etwas mehr Zeit. Ich fokussierte den Ball, warf ihn hoch in die Luft, ließ ihn bis auf Augenhöhe herankommen und stürzte mich, meinen Arm herumschleudernd, mit voller Wucht auf ihn, sodass der Ball erst zu Boden schoss und dann seitlich wegsprang.
    Ich war beeindruckt, fühlte mich von einem Erfolgserlebnis aber noch weit entfernt. Der Schweiß rann mir die Schläfen hinab. In wenigen Minuten würde mein T-Shirt durchnässt sein.
    Vielleicht musste ich die ganze Sache nur anders angehen. Ich dachte an Tischtennis. Ich dachte an die Übertragungen im Fernsehen, wo unscheinbare Chinesen mit atemberaubendem Tempo winzige weiße Bälle über die Platten fegten.
    Ich hielt den Schläger dicht vor meine Brust, positionierte den Ball unmittelbar davor und blickte entschlossen nach vorne. Mit einer kurzen, wiewohl effektvollen Bewegung fegte ich den Ball Richtung Wand. Er flog keine drei Meter und blieb in der Hallenmitte liegen.
    »Können wir?«, fragte Gunnar, der inzwischen offensichtlich gut aufgewärmt war.
    »Kann losgehen«, erwiderte ich prompt. Dabei hatte ich noch nicht mal die Wand getroffen.
    »Du solltest aber die Brille abnehmen«, bemerkte Gunnar fürsorglich, »sonst geht sie vielleicht kaputt.«
    Erst jetzt sah ich, dass Gunnar keine Brille trug, was ihn gleich noch jünger und sportlicher machte. Sobald ich meine Brille abgelegt hatte, wirkte ich lediglich alt und verwirrt.
    Ich reichte Jutta die Brille, die irgendetwas von »Zeig’s ihm« murmelte, was ich nun doch ein wenig übertrieben fand, zumal ich ohne Brille lediglich Umrisse erkannte.
    Das war jedoch meine Rettung. Denn da ich nun auch die Wand nicht mehr richtig erkannte, war ein Spiel unter normalen Bedingungen praktisch unmöglich.
    Zunächst verschwieg ich Gunnar allerdings mein Handicap, für den Fall, dass ich die Wand wider Erwarten doch treffen sollte.
    Ich warf den Ball in die Luft, zählte bis drei und schlug blind zu. Ich hörte nur, wie der Ball irgendwo gegenprallte.
    »Du musst gegen diese Wand spielen«, klärte mich Gunnar ruhig auf. Es war ihm vermutlich längst klar, dass ich kein ernst zu nehmender Gegner war.
    »Ja, ja«, antwortete ich leicht genervt. Ich machte mich locker. Tänzelte auf der Stelle und schwenkte die Arme. Zum Glück konnte ich mich selber nicht dabei sehen.
    Dann warf ich den Ball hoch, holte weit aus und schlug stöhnend zu.
    Eine

Weitere Kostenlose Bücher