Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wollmann widersetzt sich: Roman (German Edition)

Wollmann widersetzt sich: Roman (German Edition)

Titel: Wollmann widersetzt sich: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Beldt
Vom Netzwerk:
irgendjemandem verständlich zu machen. Deshalb verpufften sie, ehe sie eine nachhaltige Wirkung in mir entfalten konnten.
    »Und wo ist jetzt dieser Palast?«, fragte Zoe, ungeduldig auf der Stelle tretend.
    Ich wies auf einen zwischen neuen Bürohäusern eingeklemmten Altbau auf der anderen Straßenseite.
    »Wohnt da denn dieser Admiral drin?«
    »So ähnlich«, erwiderte ich ausweichend.
    Zoe entrollte die Schatzkarte und reichte sie mir. »Und wohin müssen wir jetzt?«
    Ich gab vor, die Karte zu studieren. »Jetzt müssen wir den Platz mit dem Glockengeläut finden. Hier.« Ich deutete auf das Quadrat mit den beiden Glocken, rechts davon hatte ich einen Notenschlüssel mit einem Dach darüber gemalt.
    »Der ist rechts von dem Palast«, erklärte Zoe, die Linie vom Admiralspalast zum Marktplatz mit ihrem Finger nachziehend. »Aber was heißt bloß Glockengeläut?« Sie blickte mich flehentlich an, als könnte die Entdeckung des Piratenschatzes an der Unkenntnis des Wortes »Glockengeläut« noch im letzten Moment scheitern.
    »Wo läuten denn normalerweise Glocken?«, fragte ich.
    Sie presste die Lippen zusammen und dachte intensiv nach. »In einer Kirche?«
    Ich nickte. »Und ›eingerahmt von Glockengeläut‹ heißt demnach?«
    Sie dachte erneut nach, dieses Mal aber ohne zusammengepresste Lippen.
    »Von zwei Kirchen?«
    »Siehst du«, sagte ich, »ist doch ganz einfach.«
    Auf einmal musterte sie mich streng. »Hast du diese Glocken denn schon mal gesehen?«
    Ich wusste nicht, wie sie das meinte. »Nein, wieso?«
    »Und woher weißt du dann, dass es Glocken sind?«
    »Weil man sie hören kann«, erklärte ich.
    »Aber man kann sie nicht sehen, oder?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Wenn man sie hören kann, weiß man automatisch, dass sie da sind. Es ist wie mit dem Glauben.« Ich hatte keine Ahnung, wie ich plötzlich auf den Glauben kam.
    »Und was ist mit dem Glauben?«
    Nun war ich es, der die Lippen aufeinanderpresste. »Wenn man an etwas glaubt«, sagte ich zögernd, »ist es irgendwie auch da.«
    Sie blickte mich einen Moment intensiv an, als wollte sie sicher sein, dass ich auch wirklich wusste, was ich da eben gesagt hatte. »Na gut«, meinte sie schließlich, »und jetzt müssen wir weiter.«
    Dass ich gerade zufällig den Nachweis Gottes erbracht hatte, verwirrte mich so, dass ich eine Weile überhaupt nichts mehr sagte.
    Wir überquerten die »Linden« und liefen die Friedrichstraße bis zur nächsten Kreuzung weiter. Ich merkte, wie die Passanten uns von der Seite ansahen. Ein übergewichtiger Mann in Turnschuhen und natogrünen Bermudashorts, der hinter einem achtjährigen Mädchen mit Piratenkopftuch herhetzte, war in dieser Gegend offenbar eine Sehenswürdigkeit.
    An der Ampel blieb ich mit stechenden Brustschmerzen stehen und rang nach Luft.
    »Was ist los, kannst du etwa nicht mehr?«, fragte Zoe und drängte mich weiterzulaufen.
    Einige Sekunden lang konnte ich nicht sprechen. Sollte ich jetzt tot umfallen, wäre das außerordentlich ärgerlich gewesen, da ich im Fernsehen gerade den ersten Teil einer Dokumentation über den Untergang Dresdens im Zweiten Weltkrieg gesehen hatte und auf die Fortsetzung gespannt war. Nach meinem glasklaren Gottesbeweis konnte ich jetzt allerdings damit rechnen, auch ohne Urkunden und Fotos von meinen Enkeln durch die Himmelspforte gewinkt zu werden.
    »Dahinten«, sagte ich, nachdem ich wieder zu Atem gekommen war, »ich glaube, dahinten links ist der Platz.«
    Zoe rannte bei Rot über die Straße. Ich ignorierte die entsetzten Blicke der Mütter und bemühte mich, Schritt zu halten.
    »Da ist die Kirche!«, rief sie mir aus einiger Entfernung zu und deutete freudig erregt auf den Französischen Dom.
    Mir stand der Schweiß auf der Stirn.
    Als wir das Schiller-Denkmal auf dem Platz erreicht hatten, sah Zoe erneut auf die Karte.
    »Wo die Musik ihr Haus hat«, las sie langsam und blickte sich um.
    »Und wo könnte das sein?«, fragte ich schweratmig.
    Sie drehte sich einmal im Kreis, als wäre sie unsicher, welches Haus hierfür am ehesten infrage kam. Schließlich zeigte sie wortlos auf das Konzerthaus.
    Ich nickte. »Der Schatz muss hinter einer Säule versteckt sein.«
    Zoe sah mich komisch an. »Und woher weißt du das?«
    Erst jetzt wurde mir klar, dass ich die genaue Lage des Schatzes nicht auf der Karte vermerkt hatte.
    »Ich vermute es eben«, erklärte ich rasch, bemerkte jedoch ihren skeptischen Blick. Zum Glück war sie aber viel zu aufgeregt, um

Weitere Kostenlose Bücher