Wollust - Roman
gemacht, aber ich habe mich um sie gekümmert.«
»Da bin ich mir ganz sicher.«
Sie nickte. Immer noch keine Tränen. »Die Wahrheit ist, dass Mandy bereits als kleines Mädchen gerne für sich blieb. Sie war sehr verschlossen, was ihre Freundinnen betraf, vor allem aber auch ihre Freunde.«
»Also gab es Freunde?«, fragte Decker.
Frieda dachte nach. »Auf den Abschlussball ging sie mit einem Jungen. Ich glaube, das war das erste und einzige Mal, dass ich sie mit einem Menschen des anderen Geschlechts gesehen habe.«
»Erinnern Sie sich an seinen Namen?«
»Nein, gar nicht.«
»Vielleicht: Garth Hammerling?«
»Garth wer?« Frieda knetete ihre Hände.
»Er arbeitet als Röntgen-Techniker am St. Tim – wo auch Mandy arbeitet.« Immer noch keine Antwort. »Garth ist verschwunden. Wir würden uns gerne mit ihm unterhalten.«
»Was hat er mit Mandy zu tun?«
»Wir sind uns nicht sicher, ob er etwas mit ihr zu tun hat. Im Augenblick ist er für uns nur sehr wichtig.«
»Da kann ich Ihnen nicht helfen. Ich wusste nicht viel über Mandy, als sie noch bei mir gewohnt hat. Und ganz bestimmt weiß ich nicht viel über sie, seit sie mich … seit sie ihr Zuhause verlassen hat.«
»Hat sie einen Vater?«
»Jeder hat einen Vater. Er ist abgehauen, als sie sechs Monate alt war. Ich weiß nicht, wo er steckt, und er hat nie Unterhalt gezahlt. Ich glaube, es gab mal eine Phase, in der sie ihn finden wollte. Ich riet ihr zu, aber ich sagte ihr auch, sie solle mich außen vor lassen.«
»Wie lautet sein Name?«
»James Kowalski. Ich weiß nicht, ob sie ihn gefunden hat, und falls ja, weiß ich nicht, was er ihr erzählt hat. Ich fand immer, sie sollte ihre eigenen Schlüsse ziehen, wenn sie sich ihm annähert.« Sie erhob sich. »Ich sollte mich etwas ausruhen. Morgen wird ein langer Tag. Danke für Ihre freundliche Unterstützung.«
»Falls Sie noch etwas brauchen, rufen Sie mich bitte an.« Decker überreichte ihr seine Visitenkarte.
»Hat sie starke Schmerzen?«
»Ich bin mir sicher, man unternimmt alles, um es ihr leichtzumachen. Ich werde Montag nach Las Vegas kommen, um mit Mandy zu sprechen. Wahrscheinlich sehen wir uns dann im Krankenhaus.«
»Wann kommen Sie an?«
»Irgendwann nachmittags.«
»Da könnten wir uns schon verpassen.« Als Decker darauf
nicht reagierte, fuhr sie fort: »Mandy mochte es nie besonders, wenn ich ihr … auf die Pelle rückte. Außerdem bin ich bereits aufgrund meiner eigenen medizinischen Probleme in der Arbeit im Hintertreffen.« Sie öffnete die Tür. »Vielen Dank. Auf Wiedersehen.«
Immer noch keine Tränen in den Augen. Wahrscheinlich hatte sie die schon vor langer Zeit zu Ende geweint.
43
Um neun Uhr abends spielten Deckers Augen vom Starren auf den Bildschirm verrückt, und er konnte nicht mehr vernünftig arbeiten. Als Rina mit einer Papiertüte in der Hand an seinen Türrahmen klopfte, war er dankbar für die Unterbrechung. Er rollte mit seinem Stuhl vom Schreibtisch weg und stand auf.
»Hallo du da.« Er gab ihr einen Kuss. »Was führt dich in die Tiefen der Hölle?«
»Vielleicht bin ich auf der Suche nach geistreichem Witz und charmanten Sprüchen?«
»Dann bist du hier mit Sicherheit falsch.«
Rina setzte sich vor den Schreibtisch ihres Mannes. »Vom Mittagessen blieb so viel übrig. Ich dachte mir, du bist vielleicht hungrig.«
»Zumindest sollte ich es sein. Bis jetzt hatte ich nur Kaffee und das Müsli von heute Morgen.« Er blickte auf die Uhr und nahm ihr gegenüber Platz. »Es tut mir leid, dass ich es nicht nach Hause geschafft habe. Ganz besonders, weil die Jungs den weiten Weg auf sich genommen haben, um mich zu sehen. Sind sie sauer?«
»Gar nicht«, beruhigte ihn Rina. »Wir hatten eigentlich ziemlich viel Spaß.«
Decker war beruhigt und enttäuscht zugleich. »Klaro, alle sind so daran gewöhnt, dass ich nicht dabei bin, nach dem Motto ›Was soll’s‹.«
»Natürlich vermissen wir dich. Wir haben in deiner Abwesenheit auf dich angestoßen.« Sie öffnete die Papiertüte und überreichte ihm ein eingewickeltes Päckchen. »Truthahn-Sandwich auf Roggenbrot mit Meerrettich und Senf. Morgen Abend schaffst du es aber zum Essen, oder? Es findet dir zu Ehren statt.«
»Selbstverständlich.«
»Dann sind wir alle zufrieden. Woran arbeitest du, das so viel Zeit beansprucht?«
»Wir haben etwas Verdächtiges in Chuck Tinsleys Wohnung entdeckt. Jetzt versuchen wir, weitere verdächtige Hinweise zu sammeln. Ich sitze seit vier Stunden vor
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