Wollust - Roman
wie aus dem Müll gezogen.«
»Du bist ein gut aussehender Junge, und das meine ich ehrlich. Trotzdem würde dir ein bisschen mehr Ruhe guttun. Ich muss jetzt zur Arbeit, und Rina und die Kinder besuchen in einer Stunde ihre Großeltern. Du hast das ganze Haus für dich allein. Setz dir eine Schlafmaske auf und leg dich ins Bett. Wie geht es deiner Hand?«
»Bis zu meiner ersten Stunde mit Nicholas Mark bin ich wieder fit. Das ist das Einzige, was mir wichtig ist.«
Decker trommelte auf dem Tisch herum. »Ich habe gerade mit dem Anwalt telefoniert, der die Unterlagen für deine Mutter
vorbereitet hat. Er konnte mir wegen der Verschwiegenheitspflicht nichts sagen, aber zwischen den Zeilen habe ich herausgehört, dass diese Papiere echt sind. Ich glaube, der Brief stammt wirklich von deiner Mutter. Um deine Frage zu beantworten, heißt das, Chris ist aus dem Schneider. Und du kannst ihm ausrichten, dass ich das genau so gesagt habe. Ich würde mich dennoch gerne mit ihm unterhalten und herausfinden, was er weiß. Ich bin einfach neugierig.«
Gabe wich seinem Blick aus. »Das ist jetzt aber keine Falle oder so.«
»Nein, Gabe, das ist keine Falle. Ich bin sicher, dass deine Mutter lebt und sich wahrscheinlich in Indien aufhält.«
»Zusammen mit einer Milliarde anderer Menschen. Eine Milliarde plus eins, wenn man ihr neues Baby mitzählt. Nein, verdammt, ich bin überhaupt nicht verbittert.« Gabe stand auf. »Danke, Lieutenant, dass Sie mich bei sich aufgenommen haben – Sie und Rina. Ich mein das wirklich, wirklich ernst. Ich versprech’s Ihnen, ich werd ein angenehmer Mieter sein.«
»Du zahlst keine Miete, also bist du auch kein Mieter. Du bist ein kleiner Schnorrer.«
Gabe lächelte, aber es war ein trauriges Lächeln. »Dann werd ich ein angenehmer Schnorrer sein.«
»Du sagst ja schon zu meiner Frau Rina, deshalb nenn mich doch einfach Peter.«
»Danke, aber ich bleib lieber beim Lieutenant, wenn’s Ihnen nichts ausmacht.«
»Nein, tut es nicht.« Decker zuckte mit den Achseln. »Darf ich dich fragen, warum?«
»Ich fühl mich noch nicht wohl dabei, Sie beim Vornamen zu nennen. Und … das klingt jetzt vielleicht ein bisschen hirnrissig, aber es ist so: Wenn ich Sie Lieutenant nenne … ich weiß auch nicht … es liegt am Klang des Wortes. Irgendwie fühl ich mich dann sicher.«
45
Als Decker um elf Uhr das Revier betrat, schnippte Wanda hektisch mit den Fingern, um seine Aufmerksamkeit zu erregen. Sie war gerade am Telefon und deutete auf einen Knopf für eine freie Linie. Decker betätigte den Knopf und hob vorsichtig den Hörer zum Mithören ab.
»Ich verstehe nicht, wie Sie eine ganze Tüte voller Schmuck einfach verlieren können!«
Chuck Tinsley. Decker zog einen Notizblock zu sich heran.
»Ich bin sicher, sie ist nicht verloren gegangen, Mr. Tinsley, sondern nur verlegt«, sagte Wanda. »Ich wollte Ihnen versichern, dass von allen Stücken Fotos und genaue Beschreibungen existieren. Falls wir sie ersetzen müssen, erhalten Sie den vollen Geldwert erstattet.«
Decker zeigte ihr den erhobenen Daumen. Sie lächelte.
»Ich scheiß auf eine Erstattung«, wetterte Tinsley. »Die Stücke haben einen sentimentalen Wert. Sie gehörten meiner verstorbenen Mutter. Wie wollen Sie denn Erbstücke ersetzen, hm?«
»Ich bin sicher, sie tauchen wieder auf…«
»Ich hatte noch nie besonderen Respekt vor der Polizei, und wissen Sie, warum? Ihr Typen habt keinen Respekt vor den Leuten, für die ihr da sein solltet. Ist doch so, Sie behandeln mich wie einen Kriminellen, während der wahre Dreckskerl, der Adrianna umgebracht hat, immer noch draußen herumläuft. Ihr Typen seid ein Haufen Clowns, wissen Sie?«
»Mr. Tinsley, Sie sind jetzt frustriert …«
»Was haben Sie mit meinen Sachen gemacht? Mit nach Hause genommen?«
»Ich werde Sie informieren, wenn wir die Stücke wiedergefunden haben.«
»Na klar. Und bis dahin zahlen Sie mich aus.«
»Möchten Sie die Erstattung für den Schmuck in bar?«
»Nein, ich will den Schmuck. Aber wenn Sie ihn mir nicht aushändigen können, dann geben Sie mir das Geld. Und brauchen Sie bloß nicht ein Jahr, um mir den Scheck auszustellen, wenn Sie wissen, was ich meine.«
»Wenn Sie möchten, stelle ich sofort den Antrag für die Auszahlung.«
Am anderen Ende der Leitung blieb es still. »Und was passiert, wenn Sie den Schmuck finden?«
»Ich händige Ihnen den Schmuck aus, und Sie geben das Geld zurück.«
»Sie sollten mir den Schmuck und das
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