Wollust - Roman
gerade neue Infos bekommen, und die sind leider nicht gut. Adrianna ist offenbar ermordet worden.«
»Oh Gott!« Mandy rang nach Luft und warf mit zitternden Händen ihre Kaffeetasse um. Sie hielt sich eine Hand vor den Mund. »Oh nein! Oh mein Gott! Wie furchtbar! Oh nein!« Sie blickte hoch, und Tränen rannen über ihr Gesicht. »Das kann nicht sein!«
»Ihre Mutter hat sie eindeutig identifiziert«, sagte Marge.
»Ach je, die arme Frau. Arme Adrianna.« Sie begrub ihr Gesicht in den Händen. »Entschuldigen Sie, ich kann nicht…«
»Kein Problem«, beruhigte Marge sie, »lassen Sie sich Zeit.«
Oliver stand auf. »Ich hole Ihnen ein Glas Wasser.«
Marge versuchte, sie abzulenken. »Mir ist aufgefallen, dass Sie OP-Kleidung tragen. Sind Sie OP-Schwester?«
»Thorakal.« Sie tupfte sich mit einer Serviette die Tränen ab. »Alles, was mit dem Brustkorb zu tun hat.«
»War das auch Adriannas Schwerpunkt?«
Als sie den Namen ihrer Freundin hörte, setzte bei Mandy erneut ein Wasserfall ein. »Sie ist in der NICU, der Neonatal-Intensivstation. Sie ist … war Kinderkrankenschwester. Sie hat ihre Arbeit toll gemacht. Wir nannten sie immer unsere Babyflüsterin. Aber auch wenn sie mit älteren Kindern arbeitete, liebten die sie.«
»Verstehe.« Marge zückte ihren Notizblock. »Und Sie kennen Adrianna seit sechs Jahren?«
»Ungefähr.« Oliver kam mit dem Wasser und einer frischen Box Papiertaschentücher zurück. Mandy bedankte sich für beides bei ihm. »Ich habe Ihrer Kollegin gerade erzählt, dass ich Adrianna seit ungefähr sechs Jahren kenne. Wir waren zusammen auf der Krankenschwesternschule.«
»Auf welcher?«, fragte Oliver nach. »C-SUN?«
»Nein«, antwortete Mandy. »Wir gingen auf die Howard
Professional School. Ursprünglich wollte Adrianna nur Gesundheits- und Krankenpflegerin werden, aber ich sagte ihr, sie sei schlau genug, den ganzen Weg bis zur staatlich geprüften Krankenschwester zu machen. Es war viel schwerer, ich will nicht lügen, aber ich überzeugte sie davon, dass sich der Aufwand lohnt.«
»Das war wahnsinnig nett von Ihnen«, lobte Marge sie.
»Zum Teil war es purer Eigennutz«, sagte Mandy. »Wir trafen uns am ersten Tag in der Orientierungsstufe und verstanden uns supergut, auf Anhieb. Ich dachte mir, es wäre einfacher, wenn noch jemand mitmachte. Ich half ihr, ein paar Klippen zu umschiffen, aber die Prüfung musste sie ja selbst schreiben, und sie hat alles tadellos bestanden.«
»Sie klingen wie eine gute Freundin«, stellte Oliver fest.
»Damals waren wir sehr gute Freundinnen.«
»Aber jetzt nicht mehr?«, hakte Marge nach.
»So kommt es nun mal …« Mandys Blicke schossen kreuz und quer. »Die Dinge verändern sich.«
»Inwiefern?«, fragte Oliver.
»Wir haben uns auseinandergelebt«, sagte Mandy. »Außer bei der Arbeit haben wir aufgehört, uns zu treffen.«
»Was ist passiert?«
»Eigentlich nichts … ein anderer Lebensstil oder so. Adrianna hat …« Mandy befeuchtete ihre Lippen. »Sie hat viel mehr Energie als ich. Sie amüsiert sich gerne.«
»Ist sie ein Partygirl?«
»Das klingt jetzt billig«, widersprach Mandy. »Sie hatte gerne Spaß. Ich auch, aber ich glaube, ich brauche einfach mehr Schlaf als sie.«
»Gehörten zu ihrem Spaß auch Drogen?«, fragte Marge.
Mandy zögerte. »Ich denke mal, sie hat gelegentlich was genommen.«
»Hat das ihre Arbeit beeinträchtigt?«
»Niemals!« Mandy klang unerbittlich. »Sie war bei diesen Babys die reinste Wunderheilerin!«
»Was wissen Sie über ihren Freund?« Marge blickte auf ihre Notizen. »Garth Hammerling. Was wissen Sie über ihn?«
»Er arbeitet hier am St. Tim. Als Röntgentechniker.«
»Wie gut kennen Sie ihn?«, fragte Oliver.
»Er ist ein flüchtiger Bekannter«, sagte Mandy. Aber ihr Blick ging weit ins Leere.
»Wissen Sie zufällig, wo er wohnt?«, fragte Marge.
Mandy sah wieder weg. »Warum sollte ich wissen, wo er wohnt?«
»Vielleicht waren Sie ja mal bei ihm auf einer Party?«
»Kann mich nicht erinnern.« Mandy begutachtete jetzt ihre Hände. »Wahrscheinlich kann ich seine Adresse für Sie herausfinden, aber wahrscheinlich können Sie das selbst genauso gut.«
»Kein Problem«, meinte Oliver, »wir dachten nur, Sie hätten sie vielleicht einfach parat, weil wir mit ihm reden müssen.« Als Mandy nichts dazu sagte, fuhr er fort: »Sie wissen, dass wir jede Art von persönlichen Fragen stellen müssen.«
»Wenn ich Sie also nach persönlichen Dingen frage, sollten
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