Wollust - Roman
nahesteht, weiß man, wie man den anderen auf die Palme bringt.«
»Es ist schrecklich, dass sie unter so tragischen und brutalen Umständen sterben musste«, sagte Oliver. »Aber niemand verlangt von Ihnen, dass Sie alles lobpreisen, was sie jemals getan hat. Auch gemeine Menschen sterben irgendwann.«
»Sie war nicht gemein, sie war nur unbedacht.«
»Sie konnte eine ziemliche Nervensäge sein«, erwiderte Oliver, »das sagt sogar ihr eigener Vater.«
»Sie kam nicht gut mit ihm aus.«
»Das haben wir mitbekommen. Worüber gerieten die beiden in Streit?«
»Was macht das noch für einen Unterschied? Er hat sie nicht umgebracht. So viel kann ich garantieren.«
»Wir versuchen nur, uns ein vollständiges Bild zu verschaffen« , sagte Marge. »Ob Adrianna sich, wenn Garth weg war und sie zu viel getrunken hatte, zum Beispiel an andere Männer heranmachte?«
Die folgende Pause dauerte sehr lange. Schließlich sagte Sela: »Sie verschwand ja nicht aus einer Bar, sondern nach der Arbeit.«
»Vielleicht wollte sie sich mit einer Eroberung der letzten Nacht treffen«, entgegnete Marge. »Das, was sie Ihnen über Garth gesagt hat, klang so, als sei sie sauer auf ihn gewesen.«
»Sie war ständig sauer auf ihn. Aber sie kam auch immer wieder zu ihm zurück … einer der Gründe, warum ich ihre Klagen ignoriert habe. Sie hätte niemals etwas an der Situation geändert.«
»Vielleicht war ja Fremdgehen ihre Art, etwas an der Situation zu ändern«, schlug Oliver vor.
»Wie sollte sie letzte Nacht einen anderen Typen gehabt haben? Sie hatte Dienst.«
»Sie musste nicht vor elf Uhr abends bei der Arbeit sein«, präzisierte Oliver.
»Sie wäre niemals vor ihrem Dienst in eine Bar gegangen.« Selas Blick zuckte hin und her. Oliver spürte ihre Nervosität. »Sie war sehr engagiert in ihrer Arbeit. Ich habe sie gestern Abend nicht getroffen, wenn es das ist, was Sie mich fragen wollen.«
»Wüssten Sie es, wenn Adrianna zum Essen oder auf eine Cola vor der Arbeit ausgegangen wäre?«, hakte Oliver nach.
»Ich sagte bereits, dass sie nicht mit mir zusammen war.«
»Das ist keine Antwort auf die Frage«, sagte Marge. »Unsere Frage lautete: Wissen Sie, ob Adrianna gestern Abend ausgegangen ist?«
»Okay, so sieht’s aus.« Ein Seufzer. »Ich habe es erst nach der Tat herausgefunden. Crystal rief mich an. Crystal Larabee. Wir drei waren während der Schulzeit unzertrennlich. Lieber Gott, das kommt mir ewig her vor. Egal, jedenfalls erzählte sie mir, dass Adrianna gestern Abend im Garage gewesen sei und mit einem gut aussehenden und gut gebauten Kerl geflirtet hätte. Aber Crystal besteht darauf, dass sie nicht zusammen weggegangen sind … und dass der Typ, nachdem Adrianna zur Arbeit gefahren war, zu einer anderen Frau weitergezogen ist. Und da Adrianna ja bei der Arbeit aufgekreuzt ist, war der Typ doch wohl eine Sackgasse. Also wollte Crystal nichts davon sagen, vor allem nicht gegenüber der Polizei, weil sie nicht in Schwierigkeiten geraten wollte.«
»Warum käme sie denn in Schwierigkeiten?«
»Ich weiß es nicht genau, aber ich vermute, sie gab Adrianna Drinks aus. Vielleicht sogar zusammen mit Adriannas Typ. Sie hat das früher schon gemacht. Crystal wollte wahrscheinlich nicht, dass der Manager der Bar herausfindet, dass sie Gratisdrinks ausgibt.«
»Und warum tut sie das dann weiterhin?«
»Weil Crystal eben Crystal ist. Jedenfalls hat Adrianna das Garage nicht in Begleitung verlassen, also ist es wahrscheinlich völlig unerheblich.«
»Was, wenn Adrianna und der Mann, mit dem sie sich unterhalten hat, beschlossen haben, sich am nächsten Morgen zu treffen?«, fragte Marge.
»Ihrem Anruf auf meinem Handy nach zu urteilen, klang es nicht so, als würde jemand darauf warten, zum Zuge zu kommen. Sie war müde und stinksauer. Ihre Schicht war gerade zu Ende gegangen, also hatte sie vermutlich wenig Energie übrig.«
»Crystal ist nicht an ihrem Arbeitsplatz«, sagte Oliver. »Wir haben im Garage angerufen und nach ihr gefragt.«
»Sie hat sich einen Tag krankgemeldet«, gab Sela zu. »Als ich mit ihr gesprochen habe, lag sie zu Hause im Bett.«
»Wir waren schon bei ihrer Wohnung«, erläuterte Marge, »und sie war nicht da.«
»Irgendeine Vorstellung, wo sie sein könnte?«, fragte Oliver.
»Keine Ahnung. Ich spioniere meinen Freundinnen normalerweise nicht hinterher.«
»Wir fragen ja nur, ob Sie wissen, wo Crystal sich in ihrer Freizeit gerne aufhält«, sagte Marge. »Wir müssen mit
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